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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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besser am Platze wäre, daß er die Wollust nicht als einen Gewaltakt begreife, daß der französische Champagner nur immer mehr Durst mache und niemals widerstehe, kurz, daß mit den Damen seines Hofs die Liebe eine Lust sei sondergleichen und nicht ein Sichabarbeiten gleich dem eines Bäckerburschen, der den Teig knetet in seinem Backtrog.

     
    Der arme Obrist machte ein verdutztes Gesicht zu dieser Rede des Königs. Trotzdem dieser sein königliches Wort und Wort eines Edelmanns verpfändet, das er noch nie gebrochen, dachte der Kastilianer nicht anders, als daß ihn der Franz um die Zeche prellen wolle, etwa wie ein lausiger Schüler zu Paris, der sich in ein Hurenhaus geschlichen hat und sich um die Bezahlung drückt. Da er übrigens nicht sicher war, ob die Marquesa den König doch am Ende allzusehr hispanisiert hatte, bot er dem Gefangenen Revanche an, versprach ihm für diesmal eine wahre Fee und versicherte, auf sein Leben verzichten zu wollen, wenn der König wieder nicht zufrieden sei. Franz war zu höflich und ritterlich, um diese zweite Wette zurückzuweisen, von der er nur wünschte, wie er mit königlicher Liebenswürdigkeit hinzufügte, daß er sie verlieren möge. Und dann nach Feierabend sah er eine Dame in sein Gemach eintreten, eine Dame, weiß und zart wie Mailuft voll graziöser Lustigkeit, mit langen Haaren, mit Händchen weich wie Samt, mit einem Körper unter dem Kleid voll Fülle und Rundheit, mit lachendem Mund, mit Augen voll Glanz und Schmelz, ein Weib, bei dessen Anblick und süßer Rede der Teufel in der Hölle fromm geworden wäre, der aufständische Geselle aber in des Königs Hosen – nur um so wilder wurde.
    Am andern Morgen, als nach dem Frühstück die Schöne Urlaub genommen vom König, trat der Obrist ins Gemach, und seine stolze Siegermiene tat kund, daß er diesmal seiner Sache sicher sei.
    Bei seinem Anblick rief ihm der König schon von weiten zu:
    »Mein lieber Baron von Ville-aux-Dames«, sagte er, »möge Euch Gott so glücklich machen wie mich, nun liebe ich mein Gefängnis und, bei Unsrer Lieben Frau, ich will nicht mehr richten, ich nehme mein Urteil zurück über die Liebe in meinem und Eurem Land, ich bezahle die Wette.«
    »Ich wußte es wohl«, erwiderte der Obrist.
    »Wieso?« fragte der König.
    »Herr König, es ist meine Frau.«
    Das ist der Ursprung derer von Larray... zu Ville-aux-Dames im Lande Touraine, wo man den spanisch allzu langen Namen Lara y Lopez auf gut altfränkisch abkürzte in Larray. Es war das eine ausgezeichnete Familie, die sich allezeit im Dienste des Königs hervorgetan hat.
    Die Königin von Navarra aber kam endlich zur rechten Zeit für den König, der den spanischen Wein schon wieder satt hatte und sich auf französischen Champagner freute. Die Räusche, die er sich daran getrunken hat, gehören nicht zu meiner Geschichte. Ich behalte mir vor, ein andermal zu erzählen, auf welche Art der Legat beider Sünden getilgt hat und was für ein hübsches Sprüchlein die Königin Margarete bei dieser Gelegenheit zum besten gab. Denn sie, die als erste so lustige Geschichten geschrieben hat, verdient eine Nische für sich in dem Heiligtum dieses Buches.
    Klar und einfach ist diesmal das Fabula docet. Zunächst lernen wir daraus, daß ein König sich im Krieg nicht gefangennehmen lassen soll, so wenig wie ein Architypos in dem Spiel des Herrn Palamedes; denn es ist klar, daß es keine größere Kalamität und schrecklicheres Unglück für ein Volk geben kann als die Gefangenschaft seines Königs. Wenn es eine Königin gewesen wäre oder gar eine Prinzessin, um wieviel schlimmer noch. Auch bin ich überzeugt, daß so was, außer bei Kannibalen, niemals vorkommt. Denn ist auch nur ein Fünkchen Vernunft dabei, die Blume eines Königreichs im Kerker welken zu lassen? Ich denke viel zu gut von den Teufeleien einer Astaroth, eines Luzifer und andrer, um zu glauben, daß sie während ihrer Regierung auf den satanischen Gedanken gekommen wären, die Freude der Menschheit, das wohltätige Licht, das alle wärmt und tröstet, in ein Loch sperren zu wollen. Und es mußte schon der schlimmste Satan, id est ein altes, böses, ketzerisches Weib, eines Tags auf den Thron kommen, um die schöne Maria von Schottland also einzusperren, zur Schande der gesamten christlichen Ritterschaft, als welche ohne Aufforderung und Aufruf hätte herbeieilen müssen, um von den Mauern von Fotheringhay auch nicht einen Stein auf dem andern zu lassen.

Seltsame Reden der

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