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Geisterflut

Geisterflut

Titel: Geisterflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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1
    »Und die Lebenden beteten zu ihren Göttern und flehten
    sie an, sie vor den Heerscharen der Toten zu retten,
    doch es kam keine Antwort. Denn es gibt keine Götter.«
    Das Buch der Wahrheit, »Ursprünge«, Artikel 12
    Wenn der Mann dort vor ihr nicht schon tot gewesen wäre, hätte Chess ihn jetzt wahrscheinlich umgebracht. Diese verdammten Geister. Anderthalb Jahre lang hatte sie sich mit keinem mehr herumschlagen müssen - unter den Debunkern der Kirche ein Rekord. Und ausgerechnet jetzt, da sie ihren Bonus dringender brauchte denn je, tauchte einer auf und verhöhnte sie auch noch: schwebte einen halben Meter überm Wohnzimmerparkett der Sanfords, verschränkte die Arme vor der Brust und zog ein gelangweiltes Gesicht.
    »Sind wir uns zu fein, dahin zu verduften, wo wir hingehören, Mr. Dunlop?«
    Der Geist zeigte ihr den Mittelfinger. So ein Arsch. Wieso konnte er sich nicht einfach ins Unvermeidliche fügen?
    Ihren Unterlagen nach war er auch zu Lebzeiten schon ein Arsch gewesen. Hyram Dunlop, vormals wohnhaft in Westside, Bankangestellter, Vater zweier Kinder, allesamt verstorben. Dunlop hätte seit fünfzig Jahren in Frieden ruhen sollen, doch stattdessen huschte er hier herum, rüttelte an den Rohren, warf mit Porzellan und nervte ganz allgemein.
    Also gut, frisch ans Werk. Chess legte den Hundeschädel in die Mitte des Raumes, prüfte mit dem Kompass, ob er nach Osten blickte, und steckte links und rechts davon je eine schwarze Kerze an. Mit flinken, sicheren Handgriffen richtete sie ihren Altar her, wie sie es schon Hunderte Male getan hatte. Als Nächstes legte sie die große Gabelrute mit dem Silbergriff bereit, die mit eigens gezüchteten blauen und schwarzen Rosen umwunden war. Den Beutel mit Erde aus Dunlops Grab stellte sie für den späteren Gebrauch vor dem Hundeschädel ab.
    Den kleinen Hexenkessel samt Halterung aufzubauen dauerte ein paar Minuten. Währenddessen machte sich Dunlop hinter ihr bemerkbar, aber sie ignorierte ihn. Wenn man den Toten zeigte, dass man sich vor ihnen fürchtete, ja, wenn man ihnen gegenüber überhaupt irgendwelche Gefühle zeigte, handelte man sich nur Probleme ein. Sie nahm den kleinen Kesselbrenner in Betrieb, füllte Wasser in den Kessel und streute ein wenig Wolfswurz hinein.
    Anschließend markierte sie mit einem schwarzen Kreidestummel die Haustür und fuhr dann mit den Fenstern fort, wobei sie absichtlich durch Dunlops Geistergestalt hindurchschritt, obwohl es sie dabei jedes Mal kalt überlief.
    Als sie schließlich das Salz hervorholte und verstreute, guckte er mit einem Mal gar nicht mehr so aufsässig. »Das wird jetzt wahrscheinlich ein bisschen wehtun«, sagte sie.
    Sie sah zu der alten Standuhr in der Ecke hinüber, die knapp außerhalb des improvisierten Salzzirkels stand. Ach du Scheiße, es war schon fast acht. Sie kriegte allmählich das Kribbeln.
    Nicht schlimm natürlich, nicht unerträglich. Aber es war da und lenkte sie ab, während sie sich gerade jetzt zu konzentrieren hatte.
    Als sie begann, den Flur abzuriegeln, stürmte Dunlop die Treppe hinauf.
    Die Symbole an den Türen und Fenstern - die Schlafzimmer hatte sie bereits markiert - hinderten ihn, das Gebäude zu verlassen, aber ... Mist.
    Sie hatte den Kamin im großen Schlafzimmer außer Acht gelassen.
    Sie schnappte sich den Beutel mit der Graberde und lief ihm nach. Die Erde war eigentlich für später bestimmt, wenn der Psychopomp gekommen war, um ihn fortzugeleiten, aber sonst fiel ihr nichts ein, womit sie ihn aufhalten konnte.
    Als sie ins Schlafzimmer kam, war Dunlop schon bis auf die Füße im Rauchfang verschwunden. Chess schleuderte eine Hand voll Erde danach.
    Dunlop fiel herab. Seine stummen Lippen formten Worte, die wahrscheinlich nicht sehr freundlich waren. Chess beachtete ihn gar nicht, sondern zwängte sich in den Kamin hinein und markierte den Rauchfang mit Kreide, ehe Dunlop es erneut versuchen konnte. »Es gibt kein Entkommen. Sie wissen doch ganz genau, dass Sie hier nichts zu suchen haben.«
    Er zuckte nur mit den Achseln.
    Sie zückte den Ektoplasmarker, mit dem die Kirche ihre Debunker ausstattete - niemand hatte je behauptet, die Kirche sei sonderlich klug, aber sie wusste unbestreitbar, wie man die Menschheit vor Geistern schützte und nahm die Kappe ab. Dunlop starrte in panischem Schrecken zu ihr hoch. Sie beugte sich zu ihm - und da versank er im Boden.
    Sie hastete die Treppe hinab, schnappte sich das Salz und markierte den Flur zu Ende, solange Dunlop noch

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