Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
›geh morgen früh zur Beichte, so wird alles vergeben und vergessen sein.‹
    Und also macht sich der gute Mann am andern Morgen auf, kommt in die Kirche, drückt sich scheu in den Beichtstuhl und erzählt in Demut seinen Fall dem Pfarrer, einem guten alten Priester, begabt genug, um dem lieben Gott im Jenseits als Pantoffel zu dienen.
    ›Irren ist menschlich‹, sagt der Priester, ›du sollst morgen fasten, und so spreche ich dich los und ledig.‹
    ›Fasten!‹meinte der Gevatter, ›mit Vergnügen, das erstreckt sich nicht aufs Trinken.‹
    ›Oho!‹ rief der Pfarrer, ›so war's nicht gemeint, du wirst fasten bei einem Viertel Brot und einem Apfel, und dazu magst du Wasser trinken, soviel dich gelüstet.‹
    Und der Gevatter, der seinem Gedächtnis immer noch nicht recht traute, machte sich auf den Heimweg, die ihm auferlegte Buße immer vor sich hinmurmelnd. Im Anfang sagte er sein Sprüchlein auch ganz richtig:› in Viertel Brot und einen Apfel‹, ›ein Viertel Brot und einen Apfel‹; aber durch die ewige Wiederholung wurde er irre, und als er zu Hause anlangte, war er auch glücklich bei der Umkehrung angelangt:
    ›Einen Laib Brot und einen Viertelapfel‹, ›einen Laib Brot und einen Viertelapfel.‹
    Er machte sich also daran, seine Fasten zum Heil seiner Seele zu beginnen. Die gute Hausfrau hatte ihm von der Brotkammer einen Laib, und nicht den kleinsten, ebenso von der Hürde einen Apfel heruntergelangt, und langsam und bedächtig fing er an, mit dem Säbel des Kain zu hantieren. Als aber noch ein Viertel des Brotes übrig war, wußte er wahrlich nicht mehr, wo er damit hin sollte, denn schon hing ihm die Menge des Verschlungenen zum Hals heraus. Seine Frau meinte, daß Gott ja nicht den Tod des Sünders wolle, und wegen eines Trumms mehr oder weniger würde es nicht gleich um die ewige Seligkeit gehen.
    ›Schweig, Versucherin!‹ rief er, ›und wenn ich verrecken muß, ich will mein Fasten halten.‹«
    »Ich habe meine Schuldigkeit getan, an dir ist die Reihe, Baron ...«, fügte der Angeviner hinzu, indem er dem Pikarden listig zublinzelte.
    »Die Kannen sind leer«, bemerkte der Wirt; »holla, Küfer, Wein her!«
    »Bibamus, trinken wir!« rief der Pikarde, »besser fließt eine angefeuchtete Rede als eine trockene.«
    Er schüttete sich seinen vollen Becher hinter die Halsbinde, daß auch nicht die Nagelprobe zurückblieb, und nachdem er wie alle berühmten Redner sich geräuspert, begann er also:
    »Ihr müßt wissen, daß bei uns in der Pikardie die jungen Mädchen, ehe sie eine eigene Haushaltung anfangen, sich ihre Kleider, Geräte, Schränke, kurz, die ganze Heiratsausstattung selber zu verdienen pflegen. Zu diesem Zwecke nehmen sie Dienste in guten Häusern, sei es zu Peronne, zu Abbeville, Amiens und andern Städten; da werden sie Zimmermädchen, schwenken die Gläser, spülen die Schüssel, mangeln und bügeln das Weißzeug, tragen das Essen auf und lassen sich selber auftragen, was es nur aufzutragen gibt. Sie sind dann sehr begehrt von den Männern, da sie manches gelernt haben, was zur Ehe und Wirtschaft gehört, und außerdem in den Haushalt etwas mitbringen. Das gibt die besten Hausfrauen der Welt, sie kennen den Rummel im voraus.
    Da war denn eine aus dem Dorf Azonville, demselben, wo mein Schloß und mein Gut liegt, das mir erb- und eigentümlich zugehört. Diesem Dirnlein hatte man von Paris erzählt, allwo sich niemand bücke wegen eines Weißgroschens und wo man schon satt werde, wenn man nur an den Garküchen vorüberging, so fett und nahrhaft sei da die Luft. Setzte sich darum die Kleine in den Kopf, nach Paris zu gehen, in der Hoffnung, von dort ein Vermögen mit nach Hause zu bringen. Sie machte sich also auf den Weg mit ihren zierlichen Füßen und kommt denn auch, ihr Körbchen am Arm, das wohlgefüllt war mit nichts und wieder nichts, wohlbehalten vor den Toren an, das heißt vor einem unter ihnen, das nach dem heiligen Dionysius genannt ist.
    Hier befand sich gerade ein Fähnlein Landsknechte auf Posten, denn es war wieder einmal große Unruhe im Land wegen der Ketzer und Hugenotten, die nicht nur in ihren Predigten, sondern auch um ihre Predigten wie von jeher alle Ketzer ein ewiges Wesen und Gerumor machten. Wie nun der Weibel die Dorfpomeranze im weißen Häubchen erblickt, schiebt er seinen Schlapphut aufs rechte Ohr, schüttelt die Feder zurecht, dreht sich den Schnurrbart in die Höhe, wirft sich in die Brust, macht ein Paar Augen wie Holofernes, stemmt

Weitere Kostenlose Bücher