Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
sein und bleiben werden, kann es den Tournebouche nicht fehlen, vergnüglich im verborgenen sich hinzuschlingen und im Schatten ein Leben zu führen gleich den kleinen fleißigen Insekten, die, wenn sie sich in einem Balken eingenistet haben, ihre Löcher bohren und mit aller Sicherheit den Faden ihres Knäuels abspinnen, bis er zu Ende ist.
Fünftens sollst du nie eine andre Sprache reden als die der Tuchmacherei und niemals Reden führen über Religion und Regierung. Laß die Regierung des Staats und der Provinz, laß Gott und die Religion sich im Kreise drehen oder nach links oder rechts abbiegen, wenn sie die Laune ankommt, und halte dich in deiner Eigenschaft als Tournebouche still hinter deinen Ballen Tuch.
Also werden die Tournebouche, von niemand in der Stadt weiter bemerkt, in Frieden leben mit ihren jungen Tournebouche, werden ihren Zehnten und ihre Abgaben bezahlen wie alles, was sie Gott und dem König, der Kirche und der Gemeinde zu bezahlen mit Gewalt gezwungen werden; denn mit diesen Mächten soll niemand Streit und Händel anfangen. Darum ist es nötig, das Vermögen der Familie zusammenzuhalten, weil man sich damit die Sicherheit seiner Existenz gewährleistet, niemand etwas schuldig bleibt, immer Korn auf seinen Speichern hat und hinter geschlossenen Türen und Läden seines Lebens froh werden mag. Dann wird weder der Staat noch die Kirche, noch die hohen Herren den Tournebouche etwas anhaben können. Wenn es gar nicht anders geht, mögt ihr diesen Herrschaften gelegentlich einige Taler leihen, doch ohne die Hoffnung zu nähren, sie, ich meine die Taler, je wiederzusehen.
Dergestalt werden die Tournebouche sich beliebt machen zu allen Zeiten und bei aller Welt, und spotten werden über die Tournebouche nur die Taugenichtse und Habenichtse. Sie werden euch die krummbeinigen Tournebouche, die struppigen Tournebouche, die widerborstigen Tournebouche nennen. Laßt sie reden, die Dummköpfe. Die Tournebouche werden nicht verbrannt und gehängt werden zum Vorteil des Königs, der Kirche und der andern; die klugen Tournebouche werden heimlich ihre Säcke voll Geld und ihre Wohnungen voll Glück haben, ohne daß es die andern auch nur ahnen.
Und also, mein teurer und vielgeliebter Sohn, befolge meine Ermahnungen zu einem unauffälligen und bescheidenen Leben. Bewahre diese Schrift in deiner Familie und halte sie heilig wie eine Charta magna. Als das heilige Evangelium der Tournebouche möge sie jeder auf seinem Totenbette seinem Nachfolger vermachen, bis es Gott dem Allmächtigen gefallen wird, das Geschlecht und den Namen der Tournebouche auszulöschen auf dieser Erde...
Dieser Brief wurde aufgefunden in der Hinterlassenschaft des François Tournebouche, Schloßherrn von Verretz, Kanzlers des königlichen Herrn Thronfolgers, der bei der Auflehnung dieses Prinzen gegen seinen Oberherrn und König durch Beschluß des Pariser Parlaments zum Tode und zur Konfiskation aller seiner Güter verurteilt worden ist. Später wurde der genannte Brief als historische Kuriosität dem Gouverneur von Touraine übergeben und von mir, Pierre Gaultier, dem Gerichtsschöffen und Vorsitzenden der Zunftmeister, den Prozeßakten des erzbischöflichen Archivs einverleibt.
Nachdem der Autor die Hieroglyphen und Paraphrasien dieser Pergamente aus ihren lateinischen Schnörkeln in unsere Muttersprache übersetzt und dem Eigentümer zurückgegeben hatte, hat ihm dieser gesagt, daß die Brenzelgasse von Tours nach einigen also genannt werde, weil dort die Sonne mehr brenne und senge als irgendwo sonst. Dieser Version zum Trotz werden alle Leute von einer höheren Einsicht geneigt sein zu glauben, daß der genannte Straßenname gewiß irgendwie mit der brenzligen Geschichte zusammenhängt, die wir hier erzählt haben. Diesen kann der Autor nur beistimmen.
Diese Historie lehrt uns, mit unserm Körper keinen Mißbrauch zu treiben, sondern ihn allein anzuwenden zu unsrem zeitlichen und ewigen Heil.
Die abgeschnittene Wange
Zur Zeit, als König Karl der Achte es sich in den Kopf setzte, das Schloß von Amboise in seiner späteren Gestalt auszubauen, brachte er von Italien eine große Anzahl Werkleute mit, Maler, Steinmetzen und Maurer oder Architekten, die aus der Galerie des Schlosses ein schönes und berühmtes Kunstwerk machten, das aber aus Achtlosigkeit wieder verdorben wurde.
Weilte also zu jener Zeit der Hof an diesem lustigen Ort, und liebte es der junge König, wie jedermann weiß, den Künstlern bei der
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