Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Ausführung ihrer Erfindungen zuzuschauen. Nun war unter den fremden Meistern ein Florentiner mit Namen Angelo Cappara, ein verdienstvoller Mensch, Bildhauer seines Zeichens, der allgemein bewundert wurde, da er so geschickt und gelehrt war in der Kunst zu bilden und zu formen, obwohl er erst im Lenz seiner Jugend stand und ihm kaum der erste Flaum auf der Lippe sproß.
Die Damen besonders waren alle in den Unbärtigen verschossen; denn er war schön wie ein Traum und melancholisch wie eine Taube, die allein im Neste zurückgeblieben ist, weil man ihr den Gefährten weggefangen hat. Und das hatte seine guten Gründe. Der gute Bildhauer krankte an der Armut, als welches eine Krankheit ist, die das Leben verengt und verdüstert. Er lebte hart, aß wenig, und voll Mißmut über seine armselige Lage warf er sich mit einer wahren Verzweiflung auf die Arbeit, um durch seine Kunst und mit übermenschlicher Anstrengung sich die Mittel zu einem müßigen Leben zu erwerben, das allen denen so köstlich scheint, deren Geist beschäftigt ist. Weil er sich seiner Armut schämte, kleidete er sich besser als die andern, wenn er zu Hofe ging. Auch wagte er nicht aus jugendlicher Schüchternheit und Verschämtheit seinen Sold zu verlangen vom König, der ihn wohlversorgt glaubte, da er ihn so reich gekleidet sah. Herren und Damen bewunderten seine Werke und nicht weniger den Autor, aber das war auch die einzige Bezahlung, die er erhielt. Besonders die Damen hielten ihn für reich genug in der Fülle und Pracht seiner Jugend, mit dem leuchtenden schwarzen Haar und den funkelnden Augen, und konnten sich nicht denken, daß ein Adonis unglücklich sein könne, weil es ihm an Groschen fehlte. Sie hatten auch vollkommen recht, da schon so mancher höfische Geck mit solchen körperlichen Vorzügen Rittergüter und Dukaten in Haufen gewonnen hat. Ungeachtet seines knabenhaften Aussehens hatte Meister Angelo die Zwanzig bereits hinter sich. Er war auch kein Dummkopf, ein hoher Ehrgeiz schwellte ihm das Herz, und sein Kopf war erfüllt von poetischen Gedanken und schönen Bildern; aber die Bescheidenheit machte ihn zaghaft, und es ging ihm wie allen Armen, der Erfolg der Dummen schüchterte ihn noch mehr ein. Er dachte dann schlecht von sich selber, hielt sich für mißraten an Leib und Seele und wurde immer kleinmütiger und verschlossener. Er würgte alle Gedanken in sich hinein, oder vielmehr er vertraute sie heimlich der Nacht und dem Schatten, den Sternen und dem Mond, vertraute sie Gott und dem Teufel. Er bedauerte sich selber, ein so heißes Herz in der Brust zu haben, daß ohne Zweifel die Damen sich davor hüteten wie vor einem glühenden Eisen. Dann sagte er sich oft vor, wie heftig er seine Geliebte lieben würde, wie er sie halten würde gleich einer Königin, wie er ihr in Treue anhängen und mit welchem Eifer er ihr dienen wollte, wie er ihr den leisesten Wunsch an den Augen ablesen und wie er sie aufheitern wollte mit seinen Erfindungen, wenn sie traurig wäre oder auch nur ein Wölkchen von Melancholie sich am Himmel ihrer Seele zeigte.
Mit der Lebhaftigkeit seiner bildnerischen Phantasie stellte er sich vor und malte sich aus, wie er sich vor ihr niederwarf, wie er ihr den Fuß küßte, ihr die Hand streichelte, sie mit den Augen verschlang und liebkoste; und wahrlich, er glich dem Gefangenen, der durch ein Mauerloch einen Fleck Wiese sieht und sich alsbald hinausversetzt und lustwandelt über blühende Fluren. Immer mehr ging die Phantasie mit ihm durch, er führte ganze Reden mit der Geliebten, er schloß sie gewaltsam in seine Arme, trotz des hohen Respekts und biß zuletzt seine Zähne in das Kissen, aus Wut, daß ja alles gar nicht war, nirgends eine Dame und er allein mit seiner Verlassenheit. Je kühner er träumte, um so schüchterner und befangener war er am andern Tag, wenn er in Wirklichkeit einer Dame gegenüberstand. Er ließ dennoch nicht von seinen verliebten Phantastereien, sie feuerten ihn an bei der Arbeit, und unter seinen Meißelhieben formten sich so die weiblichen Brüste, daß dem Beschauer das Wasser im Munde zusammenlief vor diesen Äpfeln der Liebe, von andern Dingen nicht zu reden, die er rundete mit seinem Meißel, die er liebkoste mit seiner Feile, daß sie immer reiner in der Form, immer lebensvoller herauskamen und dem Dümmsten ihren Sinn verraten, den Tölpelhaftesten enttölpeln mußten. Und siehe, so manche Dame glaubte sich zu erkennen in den marmornen Schönheiten des Meisters
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