Die Drenai-Saga 3 - Waylander
Dardalion. Du weißt, daß ich so heiße.«
»Ist ›Priester‹ nicht mehr gut genug für dich?«
»Keineswegs. Würdest du es vorziehen, wenn ich dich ›Mörder‹ nennen würde?«
»Nenn mich, wie du willst. Nichts, was du sagst, wird etwas daran ändern, wie ich mich selbst sehe.«
»Habe ich dich beleidigt?« fragte Dardalion.
»Nein.«
»Du hast mich noch nicht nach meinem Duell mit dem Feind gefragt.«
»Nein. Habe ich nicht.«
»Weil es dir egal ist?«
»Nein, Dardalion. Ich weiß nicht, warum, aber es ist mir nicht egal. Meine Gründe sind viel einfacher. Ich handle mit dem Tod, mein Freund – dem Tod, der endgültig ist. Du bist hier, also hast du ihn getötet, und er interessiert mich nicht mehr. Es beunruhigt mich, daß du ihm Arme und Beine abgeschlagen hast, aber darüber werde ich hinwegkommen, ebenso wie ich über dich hinwegkommen werde, sobald du sicher bei Egel bist.«
»Ich hatte gehofft, wir könnten Freunde sein.«
»Ich habe keine Freunde. Ich wünsche mir auch keine.«
»War das schon immer so?«
»Immer ist eine lange Zeit. Ich hatte Freunde, ehe ich Waylander wurde. Aber das war in einem anderen Universum, Priester.«
»Erzähl mir davon.«
»Ich sehe keinen Grund, warum ich das tun sollte«, entgegnete Waylander. »Weck die Kinder. Wir haben einen langen Tag vor uns.«
Waylander schlenderte von der Höhle zu der Stelle, an der er die Pferde angepflockt hatte, dann sattelte er sie und ritt auf seinem Wallach dorthin, wo er das Reh aufgehängt hatte. Er nahm einen Beutel, schnitt einige Streifen Fleisch ab, die er zum Abendessen einpackte. Dann nahm er den Rest vom Baum und ließ ihn für die Wölfe im Gras liegen.
»Hattest du Freunde, kleines Reh?« fragte er mit einem Blick in die leeren, grauen Augen.
Als er zurück zur Höhle ritt, dachte er an die Tage der Kameradschaft in Dros Purdol. Als junger Offizier hatte er geglänzt, auch wenn er nicht wußte, warum. Er hatte Autorität immer verabscheut, aber die Disziplin geschätzt.
Er und Gellan hatten sich nähergestanden als Brüder. Sie waren immer zusammen, ob auf Patrouille oder beim Herumhuren. Gellan war ein witziger Gefährte gewesen, und nur im Turnier um das Silberne Schwert hatten sie sich jemals als Gegner gegenübergestanden. Gellan gewann immer, aber der Mann war auch übermenschlich schnell gewesen. Sie hatten sich getrennt, als Waylander Tanya kennenlernte – die Tochter eines Kaufmannes aus Medrax Ford, einer kleinen Stadt südlich vom Skeln Paß. Waylander war verliebt, ehe er es recht wußte, und hatte seine lebenslange Offiziersstelle gekündigt, um sie gegen ein Leben als Bauer zu tauschen.
Es hatte Gellan das Herz gebrochen. »Trotzdem«, hatte er am letzten Tag gesagt, »ich glaube, daß es nicht mehr lange dauert, bis ich es dir nachmache. Das Armeeleben wird schrecklich langweilig werden!«
Waylander fragte sich, ob Gellan das wahrgemacht hatte. Lebte er irgendwo als Bauer? Oder als Kaufmann? Oder war er in einer der vielen verlorenen Schlachten gefallen, die die Drenai kämpften?
Falls letzteres der Fall war, vermutete Waylander, daß ein anständiger Haufen von Leichen seinen Körper umgab, denn seine Klinge war schneller gewesen als die Zunge einer Schlange.
»Ich hätte bleiben sollen, Gellan«, sagte er. »Das hätte ich wirklich.«
Gellan war müde und verschwitzt, Schweiß rann ihm den Nacken hinab unter den Ketten-Schulterschutz und ließ seinen Rücken unerträglich jucken. Er nahm den schwarzen Helm ab und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Es ging kein Lüftchen, und er fluchte leise.
Sechzig Kilometer von Skultik und der relativen Sicherheit von Egels Lager entfernt – und die Pferde waren müde, die Männer erschöpft und mutlos. Gellan hob den rechten Arm mit geballter Faust und gab so das Zeichen für ›Pferde am Zügel führen‹. Hinter ihm glitten die fünfzig Reiter aus dem Sattel, niemand sagte ein Wort.
Sarvaj ritt neben Gellan heran, und beide Männer stiegen ab. Gellan hängte seinen Helm über den Sattelknauf und zog ein Leinentuch aus seinem Gürtel. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, dann wandte er sich an Sarvaj.
»Ich glaube nicht, daß wir ein Dorf finden, das noch steht«, sagte er. Sarvaj nickte, erwiderte jedoch nichts. Er diente seit einem halben Jahr unter Gellan und wußte inzwischen, wann die Bemerkungen des Offiziers lediglich rhetorischer Natur waren.
Sie gingen eine halbe Stunde lang nebeneinander, dann gab Gellan das Signal für
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