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Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter

Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter

Titel: Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Campus
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einer durch den Klimawechsel verursachten Trockenheit so tief wie nie. In Europa geht der Strom aus. Was machen wir dann?«
    Prodi, Professor und renommierter Ökonom, zweifacher italienischer Ministerpräsident und einer der angesehensten Politiker Europas, ist ein bescheidener, ruhiger Mann. Er ließ meine Frage ein paar Sekunden auf sich einwirken, dann warf er mir den Ball wieder zu. »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte er. »Ja«, sagte ich. »Wir müssen in Erforschung und Bereitstellung von Speichertechnologien für erneuerbare Energien investieren. Und zwar sofort. Andernfalls können wir erneuerbare Energie nicht in einem Umfang einsetzen, der uns über |64| das Kohlenstoffzeitalter hinausbringt. Ohne Speichermöglichkeit haben wir keine Chance.«
    Bei einem Anteil von 15 bis 20 Prozent erneuerbarer Energie, so kamen damals die Klagen der Versorgungsunternehmen, wäre das Netz auf Gedeih und Verderben dem Wetter ausgeliefert. Der ganze Kontinent hätte sich auf periodische Stromausfälle und Blackouts einzustellen. Es gibt eine Reihe vielversprechender Speichertechniken wie Flussbatterien, Akkumulatoren, Brennstoffzellen, Schwungräder, Kondensatoren und Pumpspeicher. Ich hatte mich damals mit den verschiedenen Möglichkeiten auseinandergesetzt und war zu dem Schluss gekommen, dass wir uns zwar mit allen befassen müssen, dass aber Wasserstoff seiner Flexibilität wegen als Speichermedium langfristig am meisten verspricht.
    Wasserstoff war bei Wissenschaftlern und Ingenieuren bereits seit geraumer Zeit der Heilige Gral einer kohlenstofffreien Ära. Er ist das leichteste und häufigste Element überhaupt, und bei seinem Einsatz wird kein Kohlenstoff frei. Allerdings kommt er, obwohl überall auf der Erde zu finden, in der Natur kaum ungebunden vor. Es ist vielmehr in andere Energieträger eingebettet. So lässt sich Wasserstoff zum Beispiel aus Kohle gewinnen, aus Öl und Erdgas. Ja, der größte Teil des industriell und gewerblich genutzten Wasserstoffs kommt aus Erdgas. Aber Wasserstoff lässt sich auch dem Wasser entziehen. Jeder Schüler erinnert sich an ein Experiment namens Elektrolyse: zwei Elektroden, die eine positiv, die andere negativ, in einem mit einem Elektrolyt versetzten Glas Wasser. Bei Zufuhr von Gleichstrom beginnt an der – negativ geladenen – Kathode Wasserstoff zu sprudeln, an der – positiv geladenen – Anode Sauerstoff. Es geht nun darum, festzustellen, ob es wirtschaftlich machbar ist, erneuerbare Arten von kohlenstofffreier Energie aus Sonnenzellen, Wind, Wasser und Erdwärme zur Herstellung von Elektrizität einzusetzen, die dann mittels Elektrolyse zur Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff eingesetzt wird.
    Ich erinnerte Prodi daran, dass unsere Astronauten in ihren Orbitern seit fast fünfzig Jahren ihren Strom aus Brennstoffzellen beziehen. |65| Es sei an der Zeit, so insistierte ich, diese Technik auf die Erde zu bringen und umzufunktionieren – zum Speicher für erneuerbare Energien.
    Und das geht folgendermaßen. Wenn die Sonne auf die Photovoltaikmodule auf unserem Dach scheint, wird Strom erzeugt, der größtenteils sofort im Haus verbraucht wird. Kommt es zu einem Überschuss, weil im Augenblick nicht die ganze Menge erzeugten Stroms benötigt wird, lässt sich dieser zur Elektrolyse einsetzen und der dabei entstehende Wasserstoff in einen Speicher einspeisen. Wenn die Sonne nicht scheint, verwandelt man den Wasserstoff mittels einer Brennstoffzelle wieder in Strom.
    Prodis Interesse war geweckt. Mit Wasserstoff kannte er sich aus. Sein älterer Bruder Vittorio sitzt nicht nur im Europaparlament, er ist auch ein Atomphysiker von Weltrang und Experte auf dem Gebiet. Vittorio und ich sind inzwischen gute Freude; er hat sich der Aufklärung von Politikern und Wirtschaft über Funktionsweise und Vorteile von Wasserstoff als Speichermedium für erneuerbare Energien verschrieben.
    Binnen weniger Wochen nach unserem Treffen schickte ich Romano Prodi ein Memo über die strategischen Möglichkeiten, Wasserstoff als Speicher für erneuerbare Energie nutzbar zu machen. Prodi vergeudete keine Zeit. Auf einer Tagung in Brüssel im Juni 2003 bewilligte die Europäische Kommission zwei Milliarden Euro für eine Forschungsinitiative, die Europa auf die Wasserstoffwirtschaft vorbereiten sollte. In seiner Eröffnungsansprache erklärte er die historische Bedeutung des Wasserstoffs als Speichermedium für die Infrastruktur einer Dritten Industriellen Revolution: »Aber halten wir uns

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