Pauschaltourist
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|7| Prolog: Gepäck
Ralf Leitmann pfiff leise, also sah ich vom Champagnerkarton auf, den ich gerade mit einem Teppichmesser zu öffnen versuchte.
»Da kommt die nymphomane Edelmatratze«, flüsterte er und nickte in Richtung der Freitreppe, die aus dem ersten Stock ins Foyer
der Villa führte.
Es verriet nichts über mich, dass ich zur Treppe starrte, schließlich taten das in diesem Moment alle Anwesenden, außerdem
hatte ich
sie
bis zu diesem Tag noch nie live gesehen. Marejke Medsger catwalkte zu uns herab, wobei sie ihren Blick über die noch kleine
Menschenmenge – in der Hauptsache Verlagsangestellte – schweifen ließ. Ihr Gang war sicher und ein Zeugnis der Modelkarriere,
die inzwischen über zehn Jahre zurücklag. Sie trug ein schwarzes Abendkleid, das von meiner Position aus transparent aussah,
was aber vermutlich täuschte, und das vom unteren Saum bis zur Hüfte geschlitzt war, wodurch ihre vollendeten, endlosen Beine
mehr als perfekt zur Geltung kamen. Am Fuße der Treppe wurde sie von ihrem Ehemann, meinem Arbeitgeber, unserem Verlagseigentümer
und Chefredakteur in Personalunion, erwartet, der heute seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag und das ebenso lange Bestehen
des Hauses feierte, das sein Vater, Otto Sitz, am Tag der Geburt seines Sohnes gegründet hatte.
Heino Sitz strahlte der Schönheit entgegen, die nun den Blick auf ihn richtete und ebenfalls lächelte. Allerdings war das
weit mehr als nur ein einfaches Lächeln. Sie verwies jeden anderen Versuch, an diesem und allen weiteren Abenden, die es jemals
geben würde, zu lächeln, als fade Allerweltsmimik auf die Plätze. Ich sah zu meiner Kollegin Nina Blume, die mit einem Tablett
Canapés mitten im Saal stand und so glücklich wie ein Frosch im gerade |8| zuklappenden Storchenschnabel wirkte. Sie war neben Marejke Medsger die einzige Frau im Raum. Das sich in der Redaktion hartnäckig
haltende Gerücht, Nina hätte eine Affäre mit unserem Chefredakteur, kam mir in diesem Augenblick so absurd vor wie Currywurst
mit Schlagsahne.
Als Marejke Medsger ihren Ehegatten erreichte, der eine Verbeugung andeutete und dann einen Arm um die Hüfte seiner Frau legte,
verspürte ich den abgedrehten Wunsch zu applaudieren. Schade, dass noch keine Gäste anwesend waren. Sie verpassten was. Statt
meiner klatschte Sitz laut. Ralf Leitmann neben mir atmete hörbar durch.
»Meine Damen und Herren, dieser Abend ist meiner Frau und mir sehr wichtig.« Sitz grinste, und ich konnte sogar von meiner
Position aus die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen sehen. »Ich weiß, dass sie Ihr Bestes geben werden. Es würde mich aber
freuen, wenn Sie versuchten, Ihr Bestes noch zu übertreffen. Danke.«
Die Verlagsangestellten, die gerade keine Tabletts oder Flaschen in den Händen hielten, spendeten Beifall, was ich an
dieser
Stelle falsch fand, schließlich waren wir gerade kollektiv beleidigt worden. Heino Sitz zauberte ein überlegenes, zahnlückiges
Grinsen herbei und deutete ein Nicken an. Dann nahm er die Hand seiner Frau und ging mit ihr in den kurzen breiten Flur, der
vom Foyer aus zum Eingang der Villa führte. Die beiden Volontäre, die dort Dienst taten, machten einen Schritt zur Seite,
Heino Sitz rauschte zwischen ihnen hindurch und öffnete die Tür. Draußen warteten bereits die ersten Gäste, eine Viertelstunde
vor der Zeit.
Natürlich war es in gewisser Weise eine Machtdemonstration, dass wir von unserem Chef, der das für eine gute Idee und einen
Ausdruck des (nicht vorhandenen) Teamgeists gehalten hatte, dazu verdonnert worden waren, niedere Kellnerdienste zu übernehmen,
aber zumindest ich empfand das als angenehm – es war besser, als wie ein ausgesetzter Dackelwelpe mit einem Glas Traubensprudel
in der Hand herumzustehen und so zu tun, als hätte man Spaß. |9| Smalltalk und Empfänge waren so wenig mein Ding wie Stacheldrahtkondome. Wenn ich schon bei derlei anwesend sein musste, dann
bitte mit Aufgabe und Beschäftigung. Ich ging also wieder in die Knie und zog das Teppichmesser durch den Kartondeckel. Dann
nahm ich eine Flasche heraus und entfernte die Folie. Als ich den Draht aufgezwirbelt hatte, knallte der Korken heraus, dicht
an Ralf Leitmanns Gesicht vorbei, der das aber nicht bemerkte. Er glotzte nach wie vor Marejke Medsger an, die jeden der Neuankömmlinge,
die inzwischen hereinströmten, mit einem angedeuteten Knicks begrüßte. Vollendet. Den männlichen Gästen
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