Die dritte industrielle Revolution - die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
einigen Jahren dafür stark gemacht.
Bereits 2001 hieß es in dem EPRI-Bericht »Perspectives for the Future«, die dezentrale Stromerzeugung würde sich wahrscheinlich
|70| »fast genauso entwickeln, wie die Computerindustrie sich entwickelt hat. Großrechner sind kleinen, verstreut eingesetzten Desktop- und Laptop-Computern gewichen, die miteinander in vollintegrierten, hochflexiblen Netzen verbunden sind. Selbstverständlich werden in unserer Industrie Großkraftwerke auch künftig eine wichtige Rolle spielen. Wir benötigen jedoch in zunehmendem Maße kleinere, sauberere, auf breiter Basis verteilte Stromerzeuger …, alle durch Energiespeichertechnologien unterstützt. Eine grundlegende Voraussetzung für ein solches System sind hochentwickelte elektronische Kontrollen; sie werden absolut unabdingbar sein, um den enormen Traffic an Informationen und Elektrizität zu bewältigen, den eine so komplizierte Vernetzung mit sich bringen wird.« 88
Die Leute von IBM machten mich mit Guido Bartels bekannt, einem Holländer, der rastlos rund um die Welt für IBMs Konzept eines intelligente Versorgungsnetzes unterwegs war. Guido war außerdem Chairman von GridWise, dem bereits erwähnten Konsortium aus IT- und Versorgungsunternehmen, das zusammen mit dem amerikanischen Energieministerium an der Entwicklung eines intelligenten Stromnetzes arbeitet. In unseren Diskussionen über IBMs Zukunft stellte sich alsbald heraus, dass der Konzern in erster Linie an einer Reform des Netzes im Sinne eines traditionellen, zentral geleiteten Systems interessiert war. Die Vorstellung eines Mikronetzes, das Energie zurück ans Großnetz verkauft, war zwar als potenzielle Funktion des intelligenten Versorgungsnetzes von IBM zur Kenntnis genommen worden, aber noch nicht weit genug ins Bewusstsein gerückt, um zum Herzstück einer neuen ökonomischen Vision zu werden – obwohl IBM eindeutig daran interessiert war, die nächsten Schritte in Richtung einer Dritten Industriellen Revolution zu tun. Bartels erkannte jedoch alsbald das Potenzial eines wahrhaft dezentralen intelligenten Stromnetzes und trieb bei seiner Arbeit mit Kunden rund um die Welt die Infrastruktur einer Dritten Industriellen Revolution voran.
Auch Pier Nabuurs, ein weiterer Holländer und der CEO von KEMA, begann über die Vorzüge eines bidirektionalen Info-Energie-Netzes zu sprechen. Nabuurs war Bartels’ Pendant in der Europäischen Union. Er leitete die SmartGrids European Technology Platform. Wie Grid-Wise |71| in den USA setzt SmartGrids sich aus IT- und Versorgungsunternehmen zusammen, die mit der EU an der Implementierung eines intelligenten Netzes auf dem europäischen Kontinent arbeiten. Nabuurs drängte auf ein Energie-Internet, das die in Tausenden von Mikronetzen erzeugte Elektrizität sammeln und routen konnte. Er spürte eine Änderung im Denken europäischer Versorgungsunternehmen (wovon bei ihren amerikanischen Gegenstücken noch nichts zu spüren war). In ihren Chefetagen wurde intensiv diskutiert. Diese Firmen sind seit über einem Jahrhundert wie siamesische Zwillinge mit riesigen Energiekonzernen verwachsen, von denen sie hinsichtlich der Energierohstoffe abhängig sind, aus denen sie ihren Strom erzeugen. Eine jüngere Führungsriege, die ein gesteigertes Interesse bei Kommunen, Regionen, Klein- und Mittelbetrieben, Kooperativen und Hausbesitzern feststellte, ihre eigene erneuerbare Energie in Mikronetzen zu produzieren, sah nun eine Gelegenheit, die Rolle ihrer Firmen neu zu definieren. Warum sollten die Versorger nicht von einem unidirektionalen auf ein bidirektionales Elektrizitätsmanagement umsteigen?
Das wäre das neue Szenario: Die Konzerne geben einen Teil ihrer traditionellen hierarchischen Kontrolle über Angebot und Übertragung von Elektrizität auf, um – wenigstens partiell – Teil eines Elektrizitätsnetzes mit Tausenden von kleinen Energieproduzenten zu werden. Die Rolle des Versorgungsunternehmens als Stromlieferant tritt in den Hintergrund, die als Dienstleister dafür umso stärker hervor. Der Konzern wird zum Manager eines Info-Energie-Netzes; er verkauft weniger seinen Strom als vielmehr seine Kompetenz im Strommanagement. Dieser neuen Logik zufolge werden Versorgungsbetriebe in Zukunft zu Mitverwaltern der Energie anderer über ihre ganze Wertschöpfungskette. Sie folgen damit dem Beispiel von IT-Firmen wie IBM, die anderen Unternehmen bei der Verwaltung ihrer Informationen zur Hand gehen. Die neuen
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