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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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eines schönes Tages platzen. Abgesehen davon hat sich der Mann vielleicht lediglich als Mönch verkleidet, um nicht Gefahr zu laufen, von den Wachen wiedererkannt zu werden.«
    »Weshalb? Sein Gesicht war doch nicht verhangen.«
    »Du hast doch den Posten gehört, Esther. Er erinnert sich nicht an das Gesicht, sondern nur an die Mönchskutte. Und genau das wird der Bote auch bezweckt haben.«
    »Hermann ist heute Mönch.« Siegbert hatte dagesessen und das Gespräch teilnahmslos verfolgt. Nach diesen Worten richteten sich nun aller Augen auf ihn.
    »Er ist tatsächlich Mönch? Sagtest du nicht, er sei ein Monstrum?«
    »So ist es. Nur aus diesem Grunde hat er die Nachricht mit seinem Namen gezeichnet. Er will sich nicht verstecken, sondern will im Gegenteil, dass ich ganz genau weiß, in wessen Gewalt sich Anna befindet.«
    Kurze Zeit sagte niemand ein Wort.
    »Nehmen wir an«, nahm Cornelius das Gespräch wieder auf, »dieser dicke Mönch namens Hermann läuft in seiner Kutte durch Bremen.«
    »Ja, und?«
    »Na, so ein Mönch wird doch immer von irgendjemand gesehen. Und irgendwo muss er ja auch untergekommen sein. Es ist deine Stadt, Siegbert. Wo kann jemand einen Platz zum Schlafen und Essen finden, der nicht allzu großes Aufsehen erwecken, sich gleichzeitig aber frei durch die Stadt bewegen will?«
    »In einem Wirtshaus?«
    »Richtig. Aber es muss eines sein, das einen gesonderten Stall oder Schuppen hat, in den er Anna einsperren kann. Schließlich wird er sie schwerlich an den Haaren durch die Schänke in sein Zimmer zerren können.«
    »Die meisten Unterkünfte haben einen Stall für die Pferde.«
    »Und deshalb brauchen wir so viele Männer, wie du nur auftreiben kannst.«
    Von Goossen zögerte.
    »Siegbert, ich bitte dich!« Wylands Stimme klang schärfer, als er es beabsichtigt hatte.
    Sofort riss sich der Ratsmann zusammen. »Du hast recht! Wir holen Anna da raus!«
    Er stand auf und eilte zur Tür, als wäre er in diesem Moment wieder zu neuem Leben erwacht. »Marquardt!«, brüllte er nach draußen. »Marquardt!«
    Gawin zuckte auf seiner Trage zusammen, doch Siegbert schien ihn völlig vergessen zu haben und beachtete ihn nicht weiter.
    »Ja, Herr?« Der Bedienstete hetzte aus der Küche herbei.
    »Wir haben eine Aufgabe für dich, für die du sämtliche Männer einspannen musst, die du in Bremen kennst. Der Kölner wird dir den Plan erklären. Hör ihm genau zu und bete dann dafür, dass der Herr uns beisteht. Es geht um Annas Leben.«
    »Unserer Anna?« Marquardt sah erschrocken zwischen seinem Dienstherrn und Wyland hin und her. »Erklärt mir rasch, was ich tun soll.«

    Anna wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Bruder Hermannus saß zusammengesunken im Stroh, nicht weit von ihr entfernt. Sie hatte noch immer nicht herausgefunden, in welcher Beziehung er und Helme zueinander standen. Jedoch erklärte sich dadurch zumindest, weshalb der Mönch sie seinerzeit in den Klosterkeller gesperrt hatte. Sie schienen gut befreundet zu sein, und die widerwärtige Art des Mönchs bestärkte Anna in der Ansicht, dass die beiden gut zusammenpassten.
    Vorsichtig setzte sie sich auf und lauschte. Helme war vor geraumer Zeit fortgegangen und noch immer nicht zurückgekehrt. Sie tastete mit den Fingern vorsichtig zu der Stelle an ihrem Bein hinab, an der sie noch vor der Verhandlung ihr Messer mit einem feinen Ledergurt befestigt hatte, wie sie es immer tat, bevor sie das Haus verließ. Doch gewiss würden die Kerle sie abgetastet und ihr die Waffe abgenommen haben.
    »Vermisst du das hier?« Er hielt das Messer in die Höhe.
    Sie erschrak, als sie die Stimme des Mönches vernahm und feststellen musste, dass dieser gar nicht geschlafen hatte.
    »Ich habe es dir sicherheitshalber abgenommen. Am Ende hättest du dich sonst noch verletzt.«
    Anna sagte nichts, sondern ließ ihren Blick nur auf Hermanns feist grinsendem Gesicht ruhen. Es überraschte sie, dass sie keinerlei Angst empfand. Stattdessen verlieh ihr die Gewissheit, dass ihre Flucht vor dieser grausamen Kreatur schon bald für immer zu Ende wäre, eine unerschütterliche innere Ruhe. Sie hatte sich mit ihrem Tod abgefunden. Einzig und allein der Gedanke, sich nicht mehr von Gawin, Siegbert und Esther verabschieden zu können, schmerzte sie. Auch Margrite, ihre mütterliche Freundin, und Anderlin hätte sie gerne noch ein letztes Mal gesehen. So blieb ihr nur zu hoffen, dass diese eines Tages die Wahrheit über ihr Verschwinden erfahren und nicht in dem

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