Die Duftnäherin
hatte, war sie sich stets sicher gewesen, dass dieser Tag kommen würde. Sie dachte an Siegbert und Gawin, zwei Männer, die sie beide auf ihre jeweils eigene Weise geliebt hatten. Das war mehr, als so manches Weib in seinem ganzen Leben erfuhr.
»Du denkst, es ist schon so weit?« Helme lachte kehlig auf. »Geduld, meine Kleine«, flüsterte er und küsste sie geradezu zärtlich auf die Stirn. »Du wirst dich noch etwas gedulden müssen.«
Esther schritt unruhig im Zimmer auf und ab. Während Anna der Verhandlung unbedingt hatte beiwohnen wollen, war es ihr unmöglich erschienen, dabei zusehen zu müssen, wie ein Mensch womöglich sein Leben ließ. Abgesehen davon wäre es auch gefährlich für sie gewesen, sich unter so viele Menschen zu mischen. Der Mörder ihres Vaters musste ganz in der Nähe sein, und sosehr sich Wyland und auch Cornelius wünschten, diesen zu fassen zu bekommen, wollten sie doch nicht riskieren, die junge Frau in Gefahr zu bringen.
Am Fenster blieb sie stehen, sah eine Zeitlang hinaus und musterte dann schweigend die Patrizier, die nur ihretwegen den weiten Weg aus Köln zurückgelegt hatten.
»Woran denkst du? An deine Freundin und ihren Bruder?«, fragte Cornelius.
Esther nickte. »Ja, ich bin in Gedanken bei der Verhandlung. Hoffentlich wird Gawin seine Unschuld beweisen können.«
Cornelius stand auf und trat zu ihr ans Fenster. »Dieses Warten treibt mich noch in den Wahnsinn. Was wollen wir tun, wenn sich der Kerl nicht bald blicken lässt, Wyland?«
»Da er in Bremen aufgetaucht ist, wird er auch versuchen, Esther in seine Gewalt zu bekommen.«
»Wäre mir bewusst gewesen, Euch in Schwierigkeiten zu bringen, ich hätte keinen Boten geschickt.«
»Du bringst uns nicht in Schwierigkeiten«, stellte Wyland klar. »Mein guter Freund ist nur nicht gerade der Geduldigste.«
Cornelius lächelte verschmitzt. »Da hast du recht. Und wir sind froh, die Nachricht erhalten zu haben. Jedem von uns wird es eine Freude sein, diesen Abschaum seiner gerechten Strafe zuzuführen.«
Esther seufzte und sah wieder hinaus. Noch immer war auf der Straße niemand zu sehen.
»Wie lange dauert eine solche Verhandlung denn in der Regel?«
»Das ist ganz unterschiedlich.« Cornelius nahm wieder Platz. »Ist die Sache eindeutig, geht es schnell. Wenn sich die Schuld jedoch nicht beweisen lässt oder gar Zweifel an ihr bestehen, kann es sich ziehen.«
»Dann wollen wir es als gutes Zeichen werten, dass weder Anna noch Siegbert bisher zurückgekehrt sind.« Esther versuchte, ihrer Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben.
»Ihr beide seid gute Freundinnen geworden, nicht wahr?«
»Das stimmt. Und wir ergänzen einander bei der Arbeit. Während sie die allerschönsten Gewänder so geschickt und schnell näht, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe, veredele ich diese nachträglich mit meinen Stickereien. Es ist ein gutes Gefühl, eine wirkliche Aufgabe zu haben. Außerdem kann ich mir auf diese Weise Geld verdienen. Zwar hat mir Siegbert oft gesagt, dass das nun wirklich nicht nötig ist, doch genieße ich es, mit meinen eigenen Münzen auf den Markt zu gehen, dort einzukaufen und ab und an für alle zu kochen. Am Anfang hat das Gertrud, der Haushälterin, zwar missfallen. Doch ich glaube, inzwischen freut auch sie sich, wenn sie einmal nicht am Herd stehen muss und ich Speisen zubereite, die ihr selbst fremd sind.«
»Du klingst glücklich«, stellte Wyland zufrieden fest. »Und wegen mangelnden eigenen Geldes brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich habe es dir bislang noch nicht gesagt, doch nur wenige Tage vor seinem Tod hat dein Vater mir eine Vielzahl von Schuldscheinen und Urkunden anvertraut. Selbst wenn wir nur einige wenige davon eintreiben können, reicht die Summe immer noch aus, um dir ein auskömmliches Leben zu sichern.«
»Ja, ich bin hier glücklich«, bestätigte Esther. »Viel glücklicher, als ich geglaubt habe, je wieder sein zu können.«
»Das freut mich.«
Es klopfte laut vernehmlich an der Haustür, und Esther eilte, von ihren Begleitern gefolgt, zum Treppengeländer, um zu sehen, ob die Freunde heimkehrten. Doch vor der Tür stand lediglich ein Bote, der eine Nachricht für Siegbert überbrachte.
Esther schien eine kleine Ewigkeit vergangen zu sein, bis sie endlich Siegberts Stimme unten im Eingangsbereich hörte.
»Tragt ihn hier hinein«, ordnete von Goossen an. »Aber vorsichtig. Er hat schon genug durchgemacht.«
Wie schon zuvor trat Esther ans
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