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Die Dunkelheit in den Bergen

Die Dunkelheit in den Bergen

Titel: Die Dunkelheit in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvio Huonder
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nicht richtig, nur einzelne Befehle, die ihm galten: Komm! Still! Steh auf! Setz di!
    Als sie am Rand eines Dorfes standen und Heinrich auf ein Bauernhaus zugehen wollte, packte Hannes ihn mit einem klammernden Griff am Hals, riss ihn zurück, zerrte ihn mit sich fort und ließ ihn erst eine Ewigkeit später endlich wieder los. Heinrich verstand nicht, wieso Hannes ihn nicht gehen ließ.
    Unter dem Lumpengesindel war eine magere Gestalt, von der Heinrich zuerst nicht wusste, ob es Mann war oder Frau, jung oder alt. Bis er sah, dass das Bündel vor der Brust des Wesens ein winziges Kind war. Die magere Gestalt, ein Mädchen oder eine junge Frau also, war es, die darauf achtete, dass auch Heinrich hin und wieder einen Happen von dem kärglichen Essen bekam. Er hatte sich noch nie um das Essen balgen müssen, es anderen aus der Hand reißen und mit Schlägen verteidigen müssen. Sie tat es für ihn, flink und mit scharfen Krallen. Heinrich hielt sich möglichst in ihrer Nähe auf. Nachts breitete sie ihre Decke über ihn. Er wusste nicht, wieviele Tage und Nächte er mit dem Gesindel unterwegs war. Er sprach die ganze Zeit mit niemandem. Er verstand ihre Sprache nicht. Sein Schweigen wurde dauerhaft und tief.
    Er wartete darauf, dass er gerettet würde. Er stellte sich vor, dass sein Vater mit einer Laterne im Dunkeln erschien und ihn fand. Er verstand nicht, was die Gestalten taten, wenn sie im Dunkeln herumschlichen. Er wusste nicht, wovor sie sich versteckten und weshalb sie ihn nicht gehen lassen wollten. Er begriff nicht, wieso sie sich nachts im Dunkeln prügelten und miteinander kämpften. Er hörte ihr Keuchen, Stöhnen und manchmal Schreie und starrte in die schwarze Leere.
    75 Durch die Mauern des Schlosses drangen ferne Stimmen.
    Oder war das nur Einbildung? Es war inzwischen Nacht geworden und das Gewitter in einen Dauerregen übergegangen. Auf einer Anhöhe über dem Dorf hatte Hostetter die Pferde zum Stehen gebracht, und der Baron war sofort ausgestiegen. Sie befanden sich an der nördlichen Seite des Schlosses. Auch wenn nichts zu sehen war, wusste der Baron, welch wunderbare Aussicht sich hinter dem Dunkel verbarg. Die ersten zehn Jahre seines Lebens hatte er hier verbracht, und die Landschaft der Surselva hatte sich für immer in ihm eingebrannt: das weite Tal zwischen Sagogn und Ilanz, der Rhein, das nahe Dorf Schleuis und die Orte Castrisch und Sevgein auf der anderen Talseite. Vom Schloss Löwenberg war zu dieser Stunde nur eine hohe fensterlose Mauer zu sehen.
    Die Männer warteten nun auf Anweisungen. Der Baron teilte sie in Zweiergruppen ein, um die Seitenausgänge und Fenster abzusichern, durch die man fliehen konnte. Den Jüngsten ließ er auf die Pferde aufpassen.
    Wir werden am Haupttor warten, sagte er mit leiser Stimme, bis ihr alle am richtigen Ort seid. Dort zündet ihr eure Lichter an. Caprez schließt das Tor auf, wenn wir soweit sind, Hostetter, Rauch und die übrige Mannschaft begleiten mich hinein. Die anwesenden Personen werden ausnahmslos alle ergriffen und gefesselt. Los jetzt!
    Einen Atemzug später war die Hälfte der Männer im Dunkel der Nacht verschwunden. Der Baron führte die andere Hälfte vor das Tor. Im Innern waren wieder die Stimmen zu hören, wenn auch nicht zu verstehen. Jedenfalls war jemand im Schloss.
    Wir brauchen Licht, flüsterte der Baron, zündet die Fackeln an. Die Fluchtwege sind jetzt gesichert.
    Die Männer brauchten eine Weile, bis sie ihre Zündhölzer hervorgeholt und die harzigen Fackeln in Brand gesetzt hatten. Hostetter und Rauch nahmen ihre Gewehre vom Rücken.
    Aufmachen!, flüsterte der Baron. Es erklang das leise Kratzen und Quietschen eines großen Schlüssels, der von Caprez so behutsam wie möglich ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde.
    76 Ein Traum mit Hunden, mit aufgeregt bellenden Hunden, die ihn weckten und die er auch wach noch hörte. Von den Bäumen tropfte es, darüber war ein blasser Schimmer zu sehen. Heinrich war aufgewacht, hörte die Hunde und wusste nicht, ob das dämmrige Licht zum Morgen oder zum Abend gehörte. Um ihn herum rafften die anderen ihre Lumpen zusammen und flohen. Heinrich fürchtete sich und floh mit den anderen mit. Bellen und Rufe waren hinter ihnen zu hören. Sie hasteten und stolperten durch den Wald. Die Hunde waren schneller. Heinrich fiel hin, raffte sich hoch, hetzte weiter. Sie flohen in ein Tobel, die Hänge links und rechts rückten immer näher, Felsbrocken, Farn, irgendwann ging es nicht mehr

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