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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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irrte.

    Hansmann und Gertrud ahnten natürlich nichts von dem widernatürlichen Leben, welches ich führte. Sie glaubten wohl lediglich, dass ich an einer Melancholie leiden würde. Nur Amandas Verhalten versetzte sie bald in Sorge.
    »Estelle, wir denken beide, dass es gut wäre, einmal mit dir über Amanda zu sprechen.«
    Ich zuckte zurück. Amanda war meine Tochter und ging Hansmann und Gertrud nichts an, auch wenn ich, was ich zugeben musste, ihnen zunehmend ihre Erziehung und die Fürsorge für sie überlassen hatte. Dennoch gab ihnen das nicht das Recht, sich wie ihre Eltern aufzuspielen, und es war schon gar nichts, worüber man hätte reden müssen.
    Auch wenn ich selbst zu der Ansicht gelangt war, dass es bald Zeit für das geplante Mutter-Tochter-Gespräch sein würde, fand ich doch, dass bisher an ihrem Verhalten aus meiner Sicht alles in Ordnung war, und so erwiderte ich etwas unwirsch: »Es ist nichts an ihr, was zu Besorgnis Anlass böte.«
    »Das stellt sich uns freilich ein wenig anders dar«, blieb Hansmann hartnäckig und unberührt durch meinen Einwand fuhr er fort: »Wir sorgen uns ein wenig um sie, denn ihr Leben ist nicht so unbeschwert, wie man es von einem jungen Mädchen ihres Alters erwarten sollte.«
    Gertrud pflichtete ihm bei: »Sie ist zwölf Jahre alt und zeigt doch gar kein Interesse am Spiel mit unseren Kindern. Wilhelm ist ja nur ein Jahr älter als sie und ist von ihrer Schönheit so überwältigt, dass er direkt ein wenig verliebt in sie ist, und obwohl er ihr deswegen alles zu liebtut, weist sie ihn brüsk zurück, beschimpft ihn und macht grobe Scherze mit ihm, woran der arme Junge schier verzweifelt.«
    Ich musste lachen, also ging es ihnen gar nicht um Amanda, sondern um ihren eigenen liebeskranken Sohn, und es war die mütterliche Sorge, die aus Gertrud sprach.
    »Nur weil sie nicht auf so junge Galane erpicht ist, ist Amanda doch nicht seltsam«, gab ich also zu bedenken. »Im Gegenteil, sie kommt jetzt in das Backfischalter und zieht sich darum schon aus natürlicher Scham vor den jungen Männern zurück. Du hast allerdings in einem recht, Gertrud, zu viel einsamer Rückzug ist sicherlich nicht gut für sie. Sie bräuchte eine liebe Busenfreundin.«
    Aber woher sollte die kommen?
    Es war Gertrud, die schließlich ein dreizehnjähriges Mädchen aus dem Dorf als Dienstmagd einstellte und ihm die Aufgabe zuwies, in der Hauptsache Amandas Gesellschafterin und Freundin zu sein. Sie hieß Rieke und war von angenehmem Wesen, wenn auch völlig naiv und ohne viel schulische Bildung, doch mit einem guten Herzen. So war sie bald Amandas liebste Freundin, der sie mit Feuereifer Unterricht erteilte, und man hörte die beiden oft im Hofe Lieder singen, während sie getrocknete Kräuter und Blumen zu Sträußen und Kränzen banden.
    »Amanda band einen Strauß von Rosen, als Wilhelm kam, um mit ihr zu kosen – Amanda wurde nur zwanzig Jahr, weil dieser Wilhelm so treulos war …«

    Ich widmete mich nun zusammen mit Gertrud und Hansmann intensiver dem Gut, denn es blieb uns angesichts der immer schlechter werdenden Versorgungslage gar nichts anderes übrig, als möglichst autark zu wirtschaften und dieNahrungsbedürfnisse der menschlichen Bewohner durch eigene Produkte zu decken. Zwar war ich nicht auf diese Dinge angewiesen, aber Gertruds Familie mit den drei heranwachsenden Söhnen Wilhelm, Karl und Hermann umso mehr.
    So war es betrüblich, dass schwere Unwetter im Juli und August zu einer sehr schlechten Ernte bei Obst, Getreide und Heu führten. Heu und Getreide verschimmelten am Halm und die Kartoffeln verfaulten vor der Ernte im nassen Boden.
    Da schon im Frühjahr plötzliche Kälteeinbrüche die Obstblüte zu einem großen Teil vernichtet hatten und im Herbst erneute Unwetter viel Obst von den Bäumen schlugen, waren wir weit weniger gut für den Winter gerüstet, als wir gehofft hatten. Nur mit den Lebensmittelmarken würden wir keine allzu erfreuliche Zeit erleben.
    Natürlich fiel Gertrud und besonders den Jungen bald auf, dass Amanda und ich praktisch nichts aßen, sodass Gertrud mich besorgt ansprach.
    »Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn wir gut essen, und ihr sitzt vor einem Blatt Salat und esst selbst das nicht. Amanda wächst und braucht doch darum viel und gute Nahrung.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wir sind alle schlechte Esser«, verteidigte ich uns. »Schau uns an, gibt es Anzeichen, dass wir Mangel leiden? Wir essen spät noch am Abend und verwerten dann im

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