Die dunkle Prophezeiung des Pan
vierhundertfünfzig
Jahren. Die ›normalen‹ Druiden können nur die
Zeichen deuten. So ähnlich wie Sherlock Holmes. Der wurde
übrigens auch auf Avalon ausgebildet. Ebenfalls ein Druide.«
Ich
sah Lee groß an. »Ich dachte, der wäre eine
literarische Erfindung von Sir Arthur Conan Doyle?«
»Der
Name, ja. Aber die Figur basiert auf Hermes Slockhol. Können wir
da ein andermal drüber reden? Ich würde gern von hier
verschwinden. Was ich eigentlich sagen wollte: Die Seher bestätigen
deine Unschuld. Das reicht König Oberon vorerst. Wir können
also zurück nach London. Oder wolltest du hier bleiben?«
Er hob lasziv seine Augenbrauen. »Ist doch recht kuschelig für
1966. Die nette Vermieterin darf zwar nicht erfahren, dass wir nicht
verheiratet sind – 1966 war es doch noch sehr konservativ, vor
allem auf dem Land -, und das Bad müssen wir uns mit drei
anderen Pärchen teilen …«
»Zieh
dich an. Du machst mich nervös«, stöhnte ich und
suchte das Gemeinschaftsbad auf.
Wenig
später beglich er die Rechnung bei einer kleinen, Kittelschürze
tragenden Frau, die mich neugierig musterte. Dann brachte er uns zu
einem kleinen Hain und zehn Minuten später standen wir in der
Westminster Abbey. Weitere wanzig Minuten und wir waren wieder da, wo
unsere Flucht tags zuvor begonnen hatte: im Flur vor meiner Haustür.
Lee
blieb stehen und fasste in seine Hosentasche. Sein Karfunkel blinkte
schon wieder. Er las die Lichtreflexe: »Sie erwarten, dass ich
dich zu ihnen bringe. Das werde ich nicht tun. Aber Fay«, er
sah mich ernst an, »ich muss das aufklären.«
Ich
nickte beklommen. »Wo wirst du anfangen?«
»Am
Hof von Versailles. Dort ist ein Mittelsmann, der zuletzt mit Connor
gesprochen hat.«
»Bist
du ein guter Agent?«, fragte ich leise.
Er
lächelte und zog dabei einen Mundwinkel nach unten.
»Du
bist der Beste, stimmt’s?«
»Sagen
wir einfach, ich konnte bis jetzt noch jeden Fall lösen. Und
König Oberon vertraut mir.«
Ich
sah ihn an. »Dann klär das.«
Er
nahm eine Strähne meines Haars zwischen Zeigefinger und Daumen
und liebkoste sie. Ich wollte, er hätte meine Wange so berührt.
Aber der Stromschlag machte solche Gesten immer zunichte.
»Vertrau
mir einfach.«
»Das
tue ich«, sagte ich spontan.
Lee
schien überrascht. »Ehrlich? Seit wann?«
»Seit
dem Moment, als du mir endlich die Wahrheit über dich gesagt
hast.«
Mit
einem Mal schien er verlegen.
»Lee,
kann ich nicht doch mitkommen und dir helfen?«
»Nein,
Fay. Der Hof von Versailles ist voller Fallstricke. Dort erreiche ich
mehr, wenn ich alleine nachforsche. Es könnte nur etwas dauern.
Aber du weißt, meine Fälle dauern maximal zwei Wochen.
Solange werden sie dich in Ruhe lassen. Dafür sorge ich.«
Daran
zweifelte ich nicht. Aber zwei Wochen ohne Lee beziehungsweise ohne
jemanden, der mich schützte, falls die Elfen doch durchgreifen
wollten, waren mir nicht geheuer.
Ich
hatte ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Ich stellte mich
auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Pass
auf dich auf, ja?«
Er
sah aus, als hätte ich ihm tausend Pfund Reisegeld in die Hand
gedrückt. Als er die Treppe hinunterstieg, sah ich, wie er mit
der linken Hand die Wange berührte, die ich geküsst hatte.
War
mein Kuss so feucht, dass er ihn abwischen musste?
»Verdammt,
Felicity, du kannst aber auch gar nichts richtig machen«,
murmelte ich und schloss die Wohnungstür.
Erst
später fiel mir ein, dass wir beide keinen Stromschlag bei
dieser Berührung gespürt hatten.
DER NEUE LEHRER
Mir war klar, dass Lee
ein paar Tage weg wäre. Aber mir war nicht klar gewesen, wie
sehr ich ihn vermissen würde. Hinzu kam die Ungewissheit, ob er
meine Unschuld an dem Mord würde beweisen können. Was, wenn
der Kronrat beschließen sollte, nicht auf Lee zu warten, und
mich abholen ließ? Das verdrängte ich einfach, so gut es
ging, aus meinen Gedanken und versuchte mich auf den Unterricht zu
konzentrieren. Nur wurde ich dadurch ständig an Lee erinnert.
Mir fehlten die kleinen
Kabbeleien, die Flirts und Lees Duft. Wenn er nicht neben mir saß,
war meine linke Seite … kalt. Und das, obwohl er nur
fünfundzwanzig Grad Körpertemperatur hatte. Ich wollte ihm
gern von meinem ersten Arbeitstag in der National Gallery erzählen,
von dem anderen Mädchen, das auch neu eingestellt worden war.
Ich wollte ihm von Matildas guten Pfannkuchen mit der Extraportion
Cranberries berichten und Cheryl, die sich vergeblich aufgebrezelt
hatte bei
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