Die dunkle Prophezeiung des Pan
auf dem Schuldach und im Park oder
am Berkeley Square bei Lees Haus. »Sind das Irrwische?«,
wollte ich wissen.
»Irrwische?«
Lees blaue Augen sahen mich fragend an.
»Na
ja, Gestaltwandler. Tiere, in die man seine Seele verpflanzen kann.«
Lee
gluckste. »Nein. Es sind Mittler. König Oberon erfährt
durch sie alles, was sie wahrnehmen, so eine Art Videoüberwachung.
Magst du ein wenig schlafen? Ich werde dich wecken, wenn wir
aufbrechen können.«
Er
stopfte noch ein wenig Decke um mich und tatsächlich schlief ich
eine Stunde später ein.
»Fay!
Wach auf! Wir können gehen.«
Ich
blinzelte und sah … nichts. Um mich herum war alles dunkel und
voller Schatten. Ich wollte mich tiefer in die Decke kuscheln, aber
sofort fühlte ich den harten Boden unter mir. Das ließ
mich schlagartig wach werden.
Lee
half mir auf. »Es ist dunkel genug. Lass uns gehen.«
Wir
verließen die Kirche. Hier herrschte richtiger Winter. Die
Puderschicht Schnee, die alles bedeckte, glitzerte im Mondlicht. Es
war eisig und ich war für meine dicke Jacke dankbar. Lee drängte
mich, auf seinen Rücken zu klettern. Ich wusste, was das
bedeutete: Er würde mit seiner elfenhaften Geschwindigkeit
laufen und uns innerhalb von Sekunden aus der Stadt bringen.
»Könnte
dich eine Verkehrskamera blitzen?«, fragte ich ihn, als ich
meine Arme um seinen Hals schlang, und fühlte sein Lachen.
»Nur
wenn ich irgendwann so breit wie ein Porsche bin.«
Dann
lief er los. Ich sah nur Schlieren von Lichtern an mir vorbeirauschen
und mir wurde innerhalb kürzester Zeit bitterkalt. Meine dicke
Winterjacke nützte überhaupt nichts mehr. Ich spürte
die Kälte alles durchdringen, den Rücken hochziehen, und
nahm mir fest vor, bei nächster Gelegenheit ein paar Handschuhe
zu kaufen. Der »Fahrtwind« trug sein Übriges dazu
bei. Weshalb musste mir so etwas im Januar passieren? Wieso konnten
wir nicht im Sommer flüchten? Dann wäre mir die Zugluft
willkommen. Wieso mussten wir überhaupt flüchten? Meine
Gedanken drehten sich im Kreis und irgendwann war mir zu kalt zum
Denken.
Wie
lange er lief, konnte ich nicht sagen, ich fühlte meine Hände
nicht mehr oder so etwas wie Oberschenkel.
»Hoppla.«
Lee
hielt abrupt an und umfasste meine Arme fester. Ich rutschte von
seinem Rücken.
»Du
meine Güte, Fay, das tut mir leid.« Er kniete vor mir,
rieb meine Arme, hauchte in meine Hände, aber ich fühlte
nichts mehr außer Kälte. »Fay? Fay! Nicht
einschlafen. Ich bringe dich wohin, wo es warm ist.«
Ich
konnte nicht mehr nicken. Mir wurde schwarz vor Augen.
Erst
in dem Zimmer mit der Blümchentapete wachte ich wieder auf.
AGENT IM EINSATZ
»Sie
wissen Bescheid. Sie wissen, wo wir uns aufhalten. Und sie wollen mit
uns reden.«
Ich
sah Lee ängstlich an. Sein Mund war zu einem schmalen Strich
zusammengepresst. Er hatte völlig vergessen, dass er halb nackt
vor mir stand.
»Keine
Bange. Ich rede mit ihnen. Ich werde ihnen einen Deal vorschlagen.«
»Was
für einen Deal? Hast du noch einen weiteren Verdächtigen in
petto?«
Lee
zog sich mit elfengleicher Geschwindigkeit die Hose über.
»Nicht
wirklich. Das weißt du genau. Aber du bist die Prophezeite. Sie
können dich nicht einfach hinrichten.«
Ich
horchte auf. »Hinrichten?«, quiekte ich. Meine Blase
drückte mit einem Mal erschreckend fest.
Lee
holte tief Luft und sagte langsam und überdeutlich wie zu einem
kleinen Kind: »Sie werden dich nicht hinrichten. Nicht nach den
neuesten Ereignissen.«
»Was
für Ereignisse?« Ich musste aufs Klo. Dringend. Ansonsten
würde ich mir gleich in die Hose machen.
Lee
hielt mitten in der Bewegung inne. Sein Hosenstall war noch offen und
gab den Blick frei auf seine Boxershorts. »Na ja, der tote
Wachmann Connor war nicht alles. Die Seher auf Avalon haben einen
Kampf vorausgesagt. Das Buch der Prophezeiung behauptet, dieser Kampf
sei der Auslöser eines Krieges.«
»Was
für ein Kampf?«
Lee
seufzte. »Eigentlich hat er schon stattgefunden. Ein Kampf
zwischen zwei … ich weiß nicht genau, wer der andere
ist. Der eine war der Wachmann, dessen Tod uns überrascht hat.
Er ist nicht heimtückisch ermordet worden, er hat gekämpft.
Aber mit wem, wissen wir nicht. Das können uns auch die Druiden
von Avalon nicht sagen.«
»Was
wissen die überhaupt?«, fragte ich sarkastisch.
»Du
musst verstehen, dass deren Fähigkeiten begrenzt sind. Unter
tausend Druiden findet sich vielleicht einer, der genaue Angaben
machen kann. Der letzte lebte vor rund
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