Die dunkle Prophezeiung des Pan
die
Schultern. »Wenn ich wollte. Aber das hier ist mein
Lieblingsaussehen. Nicht mehr so milchbübisch und ich finde, der
angedeutete Bart hat was.«
Ganz entschieden. Er
sah umwerfend aus.
Wieder las Ciaran meine
Gedanken. Das konnte ich an dem breiten Grinsen sehen, das sein
Gesicht überzog. »Ich sehe schon, wir werden uns gut
verstehen, Felicity.«
»Oh, wir beide
werden nicht viel Zeit zusammen verbringen können«, sagte
ich trocken und rückte meine Schultasche zurecht. »Warte,
bis du den Star-Club kennenlernst. Die werden dich voll auslasten.
Und in der übrigen Zeit werde ich lernen müssen, damit ich
mich vor meinem neuen Geschichtslehrer nicht blamiere.«
»Ich könnte
ja mit etwas einfachem anfange. Karl der Große zum Beispiel.«
»Hm. Wie wäre
es mit Shakespeare? Ein Sommernachtstraum. Wir könnten das Thema
Elfen einmal anschneiden und welches Volk tatsächlich im dritten
Jahrhundert in Britannien regierte.«
Ciaran verließ
lachend die Nische.
UNTERRICHT BEIM HEISSESTEN LEHRER LONDONS
Nachdem ich den ersten
Schock überwunden hatte, fand ich es auf den zweiten Blick
klasse, dass Ciaran ab sofort in meiner Nähe war. Das ließ
Lee nicht so weit entfernt scheinen. Natürlich warnte mich eine
leise Stimme in meinem Hinterkopf immer noch vor ihm. Eine Stimme,
die der Karls des Großen verdächtig ähnlich klang.
Trotzdem überwog meine Zuversicht.
Wir alle sahen der
ersten Unterrichtsstunde bei dem neuen Geschichtslehrer mit Spannung
entgegen.
Vor allem Cynthia
Newmarket und Ava Gartner legten an diesem Tag besonders viel Wert
auf ihr Aussehen. Die beiden warfen auch kurzerhand Ralph und Louisa
von ihren Plätzen, um in der ersten Reihe zu sitzen. Ein Platz,
den bei Mrs Crobb jeder gemieden hatte.
Ciaran betrat den
Klassenraum, legte seine Tasche ab und stellte sich vor. Dabei sah er
jedem Schüler für einen Moment in die Augen.
Als die Reihe an Ava
und Cynthia war, konnte ich sehen, wie die beiden ihre Kopfhaltung
änderten und verführerisch lächelten. Sogar Felicity
Stratton, die, seit Lee am College war, keinem anderen Jungen mehr
Beachtung geschenkt hatte, klimperte mit den Wimpern.
»Von Mrs Crobb
habe ich erfahren, dass Sie zuletzt den Krieg mit Spanien und den
Sieg über die Armada durchgenommen haben. Ein wunderbarer
Ausgangspunkt für eine glorreiche Zeit in England. Nach diesem
Sieg waren die Staatskassen erst einmal wieder gefüllt und
Künstler konnten gefördert werden, die ansonsten vielleicht
nur für den Jahrmarkt produziert hätten und damit auf ewig
in der Versenkung verschwunden wären. Shakespeare zum Beispiel
profitierte von dem politischen Sieg und er widmete der Königin
einige seiner besten Stücke. Zum Beispiel den Sommernachtstraum.
Felicity Morgan, Sie haben bereits angedeutet, dass Sie dieses Stück
ganz besonders lieben.«
Ich erstarrte. Alle
Blicke wandten sich mir zu.
»Nun, vielleicht
können Sie uns etwas über den Hintergrund sagen?«
Ciarans Augen funkelten spöttisch. Er hatte mich eiskalt
erwischt.
Ich räusperte
mich. »Nicht wirklich, Mr Duncan. Immerhin handelt das Stück
ja vom Feen- und Elfenreich. Ein reines Märchen also.«
»Sind Sie sicher?
Ich wollte heute mit Ihnen den Ursprüngen von Shakespeares
Dramen nachgehen. Glauben Sie, Heinrich V. ist auch Fiktion?«
»Nein, natürlich
nicht«, antwortete Ava eilfertig. »Jeder weiß, dass
er eine entscheidende Schlacht im hundertjährigen Krieg
geschlagen hat.«
Jetzt hatte sie, was
sie wollte: Ciarans Aufmerksamkeit.
»Und woher wissen
Sie das, Miss Gartner? Waren Sie dabei? Haben Sie König Heinrich
kennengelernt?« So wie er das sagte, war ich mir sicher, er hatte ihn persönlich gekannt.
Ava dagegen wurde rot
vor Verlegenheit. »Natürlich nicht«, wiederholte
sie, dieses Mal stammelnd. »Aber die Bücher und
Historienschreiber haben das doch festgehalten.«
»Und genauso
wurden die Legenden von Elfen und Feen festgehalten«,
entgegnete Ciaran.
»Was bezweckt er
mit dieser Art Unterricht«, flüsterte mir Phyllis zu. Ich
zuckte die Achseln.
»Würden Sie
sagen, Julius Cäsar sei ein Märchen, Miss Newmarket?«
Jetzt wandte er sich an Cynthia.
Ȁh, nein,
eigentlich nicht.«
Ciaran sah jetzt auf
Phyllis. »Was ich mit diesen Fragen bezwecke, Miss Garraway,
ist, dass wir heute nicht mehr nachvollziehen können, was wahr
ist und was Fiktion. Wir werden gemeinsam die Fakten recherchieren
und anhand dieser beurteilen, was Geschichte ist und was in das Reich
der Märchen
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