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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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und starrte auf die Szenerie, die sich ihm bot.
    Das Dach des Rolls hatte sich mindestens zwanzig Meter vom Rumpf des Wagens entfernt in den Sand gebohrt. Von der Wucht der Detonation war es zu einer gigantischen Zunge verbogen worden, die sich ihm entgegenstreckte, als gehöre sie einem monströ sen, im Untergrund verborgenen Tier. Was von den Insassen im Diesseits verblieben war, konnte als Entwarnung verstanden werden und war dennoch angetan, selbst ihm die Magenwände zusammenzukrampfen.
    »Hast du was entdeckt?« hörte er die Stimme des Fahrers jenseits des Wracks.
    Die Scharfschütze nickte. Er vergaß einen Augenblick, daß die anderen es nicht sehen konnten.
    »Ja«, murmelte er.
    Von der gegenüberliegenden Seite tauchte der Techniker auf. Er warf einen Blick auf den rotgesprenkelten Sand, drehte den Kopf weg und ließ sich niedersinken.
    »Immer wieder schön«, preßte er hervor.
    Der Scharfschütze starrte weiter auf die blutigen Körperteile und versuchte, seine Gedanken auf einen roten Faden zu reihen.
    Die Schultern des Technikers zuckten.
    »So ist das nun mal«, sagte der Scharfschütze. »Heul nicht. Das ist eben so.«
    Er straffte sich und begann, das aufgeplatzte Fahrzeug genauer zu untersuchen. Das Armaturenbrett war gesplittert und herausgerissen. Aus den Sitzen quollen angesengte Schaumstoffetzen. Die Türverkleidungen baumelten lose herab, und überall waren rotbraune Blutflecken, als seien die Körper der Insassen selber explodiert und nach allen Seiten auseinandergespritzt. Die Überreste im Sand verstärkten den Eindruck.
    Er überlegte. Was konnte hier passiert sein?
    Alles sah danach aus, daß eine Gruppe superreicher Kuwaitis versucht hatte, über die saudiarabische Grenze zu gelangen. Der Rolls und die Panzerfahrzeuge waren Einzelanfertigungen, es gab nichts Vergleichbares. Bodentruppen hätten kaum eine Chance gehabt, dem Konvoi größeren Schaden zuzufügen, geschweige denn ihn aufzuhalten. Der Scharfschütze schloß nicht aus, daß das riesenhafte, blauschimmernde Ungetüm an der Spitze, auf das sie zuerst gestoßen waren, sogar Bodenminen wegsteckte.
    Die republikanischen Garden hatten im Angesicht ihrer Niederlage in Kuwait City schrecklich gewütet. Mit den Plünderungen waren Folter, Vergewaltigung und Mord einhergegangen, ohne daß die Einwohner über den Stand der Befreiung informiert waren. Sie erlebten die plötzliche Konfusion der Invasoren als Steigerung des Grauens. Kein Ende abzusehen. Potenzierter Wahnsinn.
    Kein Wunder, daß diese hier versucht hatten, Leben und Reichtum in Sicherheit zu bringen. Fast hätten sie es geschafft. Bis zur Grenze war es nicht mehr weit.
    Nur auf eines war der Konvoi nicht vorbereitet gewesen. Auf einen Angriff aus der Luft.
    Warum hier?
    Die Gardisten hatten genug damit zu tun, die Stadt zu verwüsten und ihre eigene überstürzte Flucht in die Hand zu nehmen, und sie verfügten nur über Bodenfahrzeuge. Von Saddams Luftwaffe hieß es, sie sei vernichtet.
    Aber wer wußte schon alles ?
    Rafhji, dachte der Scharfschütze. Dort hatten die alliierten Bomber versehentlich die eigenen Bodentruppen beschossen.
    Nein. Rafhji hatte sich nicht wiederholt. Nicht hier. Das war unmöglich.
    Der Techniker hatte sich erhoben. Er trat zu dem Scharfschützen, sah ihn an und schien seine Gedanken zu erraten.
    »Ich dachte, die Amis hätten Saddams Luftwaffe in Grund und Boden gebombt.«
    Der Scharfschütze sog die Luft durch die Zähne und versuchte, sich zu entspannen. Ein Geruch lag in der Luft, über dessen Herkunft es keine Zweifel gab.
    »Offenbar nicht. Einige scheinen weiter aktiv zu sein.«
    »Warum haben sie den Konvoi angegriffen?«
    »Weil Krieg ist.«
    »Trotzdem! Sie hatten nichts davon.«
    »Es waren Kuwaitis in den Wagen, das hat gereicht.«
    Er legte das Maschinengewehr in den Sand und machte sich daran, den zerfetzten Innenraum des Rolls genauer in Augenschein zu nehmen. Um die Halterung einer Kopfstütze war eine Hand mit rotlackierten Nägeln gekrallt. Nichts weiter als die Hand. Ein Ring steckte am Mittelfinger, der wertvoll aussah. Der Scharfschütze zö gerte, dann ging er weiter.
    Der Fahrer lief herbei und wedelte mit den Armen.
    »Sie sind alle tot!« schrie er.
    »Nicht so laut!« fuhr ihn der Scharfschütze an. »Wer ist tot?«
    Der Fahrer kam keuchend zum Stehen und sah sich um. Sein Blick fiel auf die verstreuten Überreste ringsum. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
    »Verdammt!« stieß er hervor. »Oh Scheiße!

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