Die dunkle Seite
Verdammt!«
»Wo bist du gewesen?«
»Alle sind tot! Mein Gott! Ich hab mir die Panzerwagen angesehen. Sie sind da drin gebraten worden.«
»Ja. Und?«
»Verdammter Mist!«
»Hast du sonst was Wichtiges gefunden?«
»Das muß doch nicht sein. Gnädiger Gott! Irgendwann muß doch mal Schluß sein mit der Scheiße!«
»Reiß dich endlich zusammen! Die Scheiße bringt Geld. Ich will wissen, ob du was gefunden hast?«
»Nein.« Der Fahrer schien wie aus schweren Träumen zu erwachen. Er sah den Scharfschützen an. »Was meinst du überhaupt? Was erwartest du denn, das man hier finden könnte? Laß uns abhauen, sage ich.«
Der Scharfschütze betrachtete ihn nachdenklich. Dann drehte er sich ohne Antwort um und setzte die Observierung des Rolls fort.
Das komplette Heck war abgebrochen. Tücher, Stoffballen, Kisten und Kistchen quollen daraus hervor, Anzüge, Kleider, Kerzenleuchter, Bücher, Golfschläger, die Reste einer Stereoanlage, die wahrscheinlich mehr Geld gekostet hatte als er in diesem Krieg verdienen würde, ein unmögliches Sammelsurium. Zu seinen Füßen lag der Kopf einer Puppe und fixierte aus einem Auge teilnahmslos den schlierigen Himmel. Das andere war geschlossen.
Der Scharfschütze konnte den Blick nicht von dem Puppenkopf abwenden. Weiter hinten im Sand hatte er etwas gesehen, das vielleicht ein Kind gewesen war. Bevor es sich in eine blutige Masse verwandelt hatte.
Kind, Frau, Mann, was machte das für einen Unterschied? Tot war tot. Müßig, darüber nachzugrübeln. Er packte die verformte Heckklappe mit beiden Händen und versuchte sie weiter aufzudrücken.
Der Fahrer besann sich einen Augenblick, dann eilte er ihm zur Hilfe. Sekunden später war auch der Techniker an seiner Seite. Zuletzt siegte die Söldnerseele über das Grauen. Gemeinsam wuchteten sie den abgerissenen Kofferraumdeckel zur Seite, bis er dröhnend im Sand landete und sich der übrige Inhalt des Kofferraums vor ihre Füße ergoß.
»Was für ein Durcheinander«, sagte der Fahrer kopfschüttelnd.
Die Flüchtenden mußten eingepackt haben, was immer ihnen in die Finger kam, ohne System, ohne Plan, in heilloser Verwirrung.
Der Scharfschütze bückte sich und zog ein Schachspiel aus dem Haufen, die schwarzen Felder aus Onyx, die weißen aus Elfenbein.
Er warf es weg und griff nach einer kleinen Schatulle.
Das Schloß war geborsten, aber verklemmt. Seine Finger brauchten eine Weile, dann sprang es auf und gab den Inhalt preis.
Die anderen suchten weiter nach verborgenen Schätzen zwischen den Trümmern, fluchten und stolperten durch das Chaos aus Luxusgegenständen, bis ihnen gleichzeitig auffiel, daß der Scharfschütze schon längere Zeit nichts mehr gesagt oder getan hatte.
Stumm und andächtig saß er da und starrte in ein kleines Kästchen.
Nie zuvor hatten sie ihn so gesehen. Er schien entrückt und zugleich hochkonzentriert. Seine Züge hatten etwas Weiches angenommen, das sie verwirrte, weil sie nichts Weiches oder Nachgiebiges an ihm kannten. Sie warfen einander einen raschen Blick zu und näherten sich zögernd, um ihm über die Schulter sehen zu können.
Dem Techniker verschlug es den Atem.
Der Scharfschütze drehte sich zu ihnen um. Der Glanz aus dem Kästchen hatte sich auf seine Augen übertragen. Dann fing er leise an zu lachen.
Der Fahrer sah in die Schatulle und fühlte sich den Tränen nahe.
»Donnerwetter!« stieß er hervor.
»Ja«, nickte der Scharfschütze. »Und soll ich euch was sagen? Ich glaube, da ist noch mehr von dem Zeug!«
16.26 Uhr. Beute
Nach einer Stunde konnten sie sicher sein, daß sich keine weiteren Schatullen an Bord des Rolls befanden. Insgesamt waren es drei. Sie stießen auf eine zerfetzte Stahlkiste und konstatierten, daß sie die Schatullen geborgen hatte, bevor der Luftangriff über den Konvoi hereingebrochen war. Die Kiste hatte das schlimmste abgefangen, weshalb die Schatullen weitestgehend unversehrt geblieben waren.
Und das war gut so. Denn andernfalls hätten sich einige Tausend haselnußgroßer Diamanten auf ewig im Wüstensand verloren.
Nicht auszudenken!
Sie durchsuchten die Panzerwagen. Auch hier bildeten Armaturen und Kabel wirre Knäuel, zwischen denen blutige und verbrannte Körper und Körperteile hingen. Sie hatten keinen Blick dafür. Die Gier hatte den Schrecken eingeholt. Diesmal blieb die Mühe umsonst. In den Wagen fanden sie nichts mehr, aber was sie im Rolls entdeckt hatten, reichte, jeden Anflug von Enttäuschung im Keim zu ersticken.
Der
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