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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Unterlippe.
    »Er blutete stark. Ich weiß nicht...«
    »Bauchschüsse?«
    »Möglich.«
    »Oder was anderes?«
    »Auch möglich.« Sein Mund wurde ein schmaler Schlitz. »Warum?«
    Vera zögerte.
    »Nur so.«
    Sie konnte sich ausmalen, was in ihm vorging. Hoffnung gegen Angst. Ein zermürbender Kampf.
    Bathge hatte keine Alternative. Er mußte herausfinden, ob Lubold real war oder nur ein Phantom aus der Vergangenheit. Oder sich für alle Zeiten unsichtbar machen.
    Sie drehte die Worte um und um.
    »Bleiben Sie in Köln, wenn die Sache ausgestanden ist?« fragte sie.
    Warum kam das so mädchenhaft? Blöde Göre. Zicke! Ist das deine Sache?
    »Ja«, sagte er. »Auf jeden Fall.«
    Es war ihre Sache.
    »Gut.« Sie nickte knapp. »Dann bringen Sie mich jetzt die paar Meter nach Hause und machen anschließend einen schönen Spaziergang, um sich wieder einzugewöhnen.« Ehe sie sich zügeln konnte, hatte sie hinzugefügt: »Damit Sie mal was anderes sehen als den Rhein.«
    Bathge lächelte.
    Hatte er die Anspielung verstanden?

    Er griff nach dem Feuerzeug und ließ es in seiner Jacke verschwinden.

0.42 Uhr. Red Lion
    Mit dem Hereinbrechen der Nacht hatte die Wirkung des Alkohols nachgelassen und war nüchternem Unbehagen gewichen.
    Wäre Marmann nicht so sentimental gewesen, hätte Solwegyn die falschen Papiere damals auf Dupont ausstellen lassen oder irgendeinen anderen französischen Allerweltsnamen. Aber Marmann hatte an seiner Identität gehangen. Als Ergebnis war er über Nacht zu Andre Mormon geworden. Weil Solwegyn selber sentimental war, hatte er das verstanden und gutgeheißen. Niemand würde in der Millionenmetropole Paris auf den Gedanken kommen, ein Andre Mormon könne identisch sein mit Andreas Marmann.
    Falls ihn überhaupt einer suchen würde.
    Das wiederum hatte Solwegyn nicht verstanden, als Marmann vor sechs Jahren plötzlich vor seiner Türe stand: was ihn so furchtbar ängstigte.
    »Ich habe zwei Probleme«, hatte Marmann gesagt, nachdem sie die erste Flasche Sekt auf das Wiedersehen geleert hatten. »Das eine habe ich gelöst. Ich bin nach Deutschland reingekommen, ohne daß sie mich erwischt haben.«
    »Ich glaube nicht, daß sie dich noch suchen«, hatte Solwegyn geantwortet.
    »Bankraub verjährt nicht so schnell. Aber es gibt ein ganz anderes Problem. Ich will, daß Andreas Marmann aus der Welt verschwindet. Diesmal endgültig.«
    Solwegyn hatte wortlos eine zweite Flasche aufgemacht, um Marmanns Ende zu begießen. In gewissen Kreisen galt, daß er in Fällen der Identitätsumwandlung gute Arbeit leistete. Wenn jemand diskret und gegen einen entsprechenden Obolus neue Papiere ausstellte, dann Solwegyn. Marmann hatte das gewußt. Vermutlich war Solwegyn ohnehin der einzige, dem er traute.
    »Was brauchst du? Paß, Führerschein, Impfbescheinigung, Zeugnisse, Lebensläufe?«

    »Alles.«
    »Neue Nase?«
    »Nicht unbedingt. Aber ein neues Leben. Ich dachte an Paris. Paris ist schön.«
    »Wozu brauchst du eine neue Identität? Du kannst auch so in Paris leben. Selbst wenn sie rausfinden, wo du bist, glaube ich nicht, daß die deutsche Kripo deine Auslieferung verlangen kann.«
    »Darum gehtʹs nicht«, hatte Marmann nach einer Weile des Schweigens gesagt. »Es ist ein bißchen vertrackter. Ich besitze etwas, das andere auch gern hätten. Vielleicht wird es nie so weit kommen, aber sollte mich einer von ihnen aufspüren, könnte es schmerzhaft für mich werden. Verstehst du, ohne weiter nachzufragen?«
    Solwegyn hatte verstanden und war diskret zum Preis übergegangen. Er pflegte hoch zu pokern. Marmann hatte beim ersten Angebot eingewilligt, ohne mit der Wimper zu zucken, was Solwegyn zeigte, daß er offenbar an eine Menge Geld gelangt war.
    Kamerad Marmann hatte Geld und Angst im Überfluß. Die ideale Basis für Geschäfte.
    Seit jenem Tag war Solwegyn der einzige, der wußte, daß Andre Mormon identisch mit Andreas Marmann war. Marmann hatte sich einige Tage lang im neueröffneten Red Lion versteckt gehalten und war dann, ausgerüstet mit seinen falschen Dokumenten, nach Frankreich entwischt. Wenig später hatte Solwegyn seinen Anruf erhalten. Marmann bat ihn, seiner Schwester auszurichten, es ginge ihm gut. Er wollte, daß sie fortan in regelmäßigen Abständen Zahlungen erhielt. Solwegyn hatte die erste Rate in bar abgeliefert und anschließend dafür gesorgt, daß Marmanns Zahlungen über den Schweizer Umweg auf Nicoles Konto eingingen, ohne daß man die Zahlungen zurückverfolgen

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