Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
den offenen Durchgang in ihr leeres Vorzimmer. Sie war unkonzentriert. Ihre Gedanken kreisten um Solwegyn, um Marmann und Üsker und die neue mysteri‐
    öse Größe mit dem Namen Jens Lubold.
    Und um Bathge kreisten sie.
    Wie rasend.
    Er hatte sie brav bis vor die Haustür gebracht und ihr einen gefalteten Zettel in die Hand gedrückt. Darauf stand unter den Lettern S.B. eine Funknummer.
    »Ich sollte Ihnen wohl mehr vertrauen«, hatte er gesagt und dabei gelächelt. Mittlerweile war sie zu der Überzeugung gelangt, daß es nur einen Menschen auf der Welt gab, der lächeln konnte wie Simon Bathge, während Zigarettenrauch sein Gesicht verschleierte, und das war Simon Bathge.
    »Haben Sie das denn bis jetzt nicht?« fragte sie.
    »Ehrlich gesagt, ich war mir nicht sicher. Sie hätten den Fall immer noch abgeben können. Oder die Polizei anrufen.«
    »Stimmt«, sagte sie nach einer Weile. »Aber ich habe es nicht getan.«
    »Nein.«
    »Und? Was ist umgekehrt? Kann ich Ihnen vertrauen?«
    »Es gibt ein paar Dinge, die ich Ihnen vorenthalten habe«, sagte Bathge. »Erwarten Sie nicht zuviel und nicht zuwenig. Aber ... ja. Sie können mir vertrauen.«
    »Okay.«
    »Was ich Ihnen über Kuwait erzählt habe, steht auf einem anderen Blatt. Das war persönlich.« Er machte eine Pause. »Über die eigene Angst zu reden, ist immer persönlich. Gute Nacht.«
    Sie hatte ihm hinterhergesehen, wie er mit schnellen Schritten fortgegangen und um die nächste Ecke verschwunden war. Eine durchschnittlich große und breite Gestalt ohne besondere Merkmale.
    Dennoch beherrschte er für Sekunden die Straße.
    Es waren seine Bewegungen. Kraftvoll und geschmeidig, katzengleich, haftete ihnen zugleich etwas seltsam Körperloses an, schienen sie ineinander zu fließen wie der Zigarettenrauch, ohne den er nicht existieren konnte. Noch ehe er die Ecke erreicht hatte, war es Vera, als habe er sich vor ihren Augen aufgelöst.
    Plötzlich wünschte sie sich, er wäre geblieben. So etwas wie Verlustangst versuchte sich in ihr festzusetzen.
    Sie ließ das Gefühl vor der Haustür und ging nach oben.
    Es klingelte.
    Das Telefon holte Vera in die Gegenwart zurück. Es war der Anwalt, dessen Fall sie bearbeiten sollte. Sie versprach, bis zum Nachmittag eine Strategie zu entwickeln und richtete ihre Gedanken wieder auf Bathge.

    Solwegyn verhieß die Lösung. Für dreißigtausend Mark.
    Aber es gab noch einen zweiten Weg. Warum sollte sie sich auf den kleinen Unterweltfürsten verlassen? Da war immer noch Marokko.
    Sie wählte Fouks Nummer und wartete. Rauschen mischte sich in das Freizeichen, bis jemand abnahm. Die Stimme der Frau war sehr klar, als spräche sie aus dem Zimmer nebenan. Obwohl Telekommunikation in all ihren Facetten zu Veras Alltag gehörte, wunderte sie sich jedesmal aufs neue, daß Fernverbindungen oft besser klangen als ein Anschluß drei Straßen weiter.
    »Gemini, bonjour«, sagte sie. »Jʹaimerais parler à Said‐Asghar Fouk.«
    »Cʹest à quel sujet, si je peux me permettre?«
    Die Frage kam in einwandfreiem Französisch. Das war nicht dieselbe Frau, mit der Vera vor zwei Tagen um Verständigung gerungen hatte.
    »Cʹest au sujet dʹamis communs de lʹépoque de ZERO. Des gens quʹil connaît. «
    » Vous avez déjà appelé il y a quelques jours, nʹest‐ce pas?«
    »Oui.«
    »Attendez un instant, sʹil vous plait. Rappelez moi votre nom?«
    »Gemini. Vera Gemini.«
    Es dauerte eine Weile, während der ihre Telefonrechnung mitleidlos in die Höhe kletterte. Dann wurde der Hörer wieder aufgenommen.
    »Ici Fouk«, sagte eine wohltönende Stimme.
    »Gemini. Bonjour, je vous dérange ou bien vous avez deux minutes?« Sie sprach weiter französisch. Es schien ihr das sinnvollste.
    »Jʹai le temps. Dʹou appelez‐vous?«
    »DʹAllemagne.«
    »Etes‐vous allemande?«
    »Oui.«
    »Dann sollten wir uns in Ihrer Muttersprache unterhalten«, sagte Fouk mit arabischem Einschlag und österreichischem Akzent. »Für Sie ist es leichter, und ich komme nicht aus der Übung.«
    »Sie sprechen ausgezeichnet«, beeilte sich Vera zu versichern.
    »Danke. Ich hatte das Vergnügen, in Wien zu studieren.« Sein Tonfall klang sehr förmlich. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Sie könnten einer verzweifelten Mutter helfen, ihren Sohn zu finden. Jemanden, den Sie kennen. Er hat während des Golfkonflikts für Sie gearbeitet.«
    Fouk räusperte sich.
    »Viele rufen mich an und wollen, daß ich helfe. Woher haben Sie meine Nummer?«
    Vera nannte

Weitere Kostenlose Bücher