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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: »Gute Nacht, bella .« Dann ging er, und ich wäre fast gestorben.
    ***
    »Du hast nichts falsch gemacht«, sagte Fliss, »er ist einfach ein Scheißkerl. Hat halt spezielle Vorlieben. Nimm das Ganze nicht so ernst. Du darfst auf keinen Fall zulassen, dass die Kerle dir wehtun.«
    »Hat dir mal einer wehgetan?«
    »Bitte?«
    »Der einzige Typ vor letztem April?«
    »Mach dir deshalb mal keinen Kopf. Nimm das Ganze einfach nicht zu wichtig … Und jetzt lässt du die hier wirken …« – sie legte mir eine kleine weiße Pille in den Mund – »… und vergisst ihn.«
    Um drei Uhr früh fand ich mich in einem polnischen Club auf der anderen Straßenseite wieder. Der Club war nichts als eine kleine Bar im Keller einer Frühstückspension, mit einem Billardtisch, einem Tresen und vier ältlichen Polen, die ich mit jeder Faser meines Wesens liebte. Sie waren warmherzig und fürsorglich, und sie trugen sehr große Brillen. Das alles sagte ich ihnen, während ich bei ihnen am Tresen saß. Sehr große Brillen, welche den Schmerz zu vergrößern schienen, den sie in ihren tragischen Biografien hatten erleiden müssen.
    Fliss zerrte mich vom Tresen weg. »Du machst ihnen Angst«, sagte sie. »Du kommst ihnen zu nahe, du knirschst mit den Zähnen, und dein Mund ist so trocken, dass du beim Sprechen komische Geräusche machst. Trink einen Schluck Wasser.«
    Ich leerte eine große Flasche Evian und wirbelte durch den winzigen Kellerraum. Dabei fand ich allerlei Verblüffendes über meine neuen Freunde heraus: Cheryl-Anne aß Erdnüsse mit der Schale, Zachs Schwester hatte sich nicht mehr gemeldet, seit sie drei Monate zuvor aus dem Royal ausgezogen war, und Fliss trug selbst unter kurzen Röcken keine Unterhose.
    »BRONWYN! BRONWYN!«
    Als ich die Augen öffnete, sah ich Fliss, die mir den Rest einer großen Flasche Evian übers Gesicht goss.
    »Du redest Unsinn.«
    »Aber es ist unglaublich. So viele interessante Menschen in einem so winzigen Raum. Wie so ein Mikrodings. Und da kommt Francesco, um mich abzuholen. Francesco! Meine Augen sind weit offen und schauen nach oben!«
    Als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, schien die Sonne durch das Fenster meines Hostelzimmers. Der Kopf tat mir weh. Ich setzte mich hin und griff nach der Wasserflasche neben meinem Bett, aber sie war leer. Also stand ich auf und ging ins Badezimmer.
    »Hallo, Cheryl-Anne«, sagte ich. Sie lag behaglich in der Wanne. Irgendwie schaffte ich es, meine Flasche am Waschbecken zu füllen, ohne sie allzu genau anzusehen, aber eine Kaiserschnittnarbe, die quer über ihren Bauch lief, bemerkte ich doch. Ich hatte Cheryl-Anne nie anders als sturzbetrunken oder verkatert erlebt und war mir nicht sicher, was schlimmer war: ihre widerlichen Fascho-Sprüche, die unpassenderweise immer mit dem Ablegen von Kleidung einhergingen, oder der Geruch, der am nächsten Morgen aus ihrem vogelkäfigartigen Mund drang.
    »Hi, Süße. Alles in Ordnung?«
    »Prima, nur ein Brummschädel, sonst nichts.«
    Ich verließ das Badezimmer, holte tief Luft, die aber nur geringfügig frischer war als im Bad, und ging runter zu Francesco. Ich erinnerte mich daran, ihn in dem Club gesehen zu haben, aber sonst erinnerte ich mich an fast nichts mehr – außer, dass mir die Drogen völlig die Sinne vernebelt hatten und ich ausgeflippt war, als er mich im Garten sitzen ließ. Die ungeschriebenen Gesetze von Mann-Frau-Beziehungen waren mir ebenso fremd wie die von Flugreisen, und jetzt, in nüchternem Zustand, kam mir der Gedanke, dass Paare sich vielleicht nicht jeden Tag sähen. Vielleicht verbrachten sie nur jeden zweiten Tag miteinander, um die Vorfreude zu steigern, oder so.
    Ich klopfte bei Francesco an. Keine Antwort. Ich klopfte noch einmal, aber er reagierte nicht.
    Als ich in mein Zimmer zurückkehrte, wurde mir die zweite von Fliss’ Lektionen zuteil. Anscheinend legte ich ein so abstoßendes Maß an Beflissenheit an den Tag, dass es geradezu an Bedürftigkeit grenzte. Außerdem hatte ich mich zu früh auf einen Typen versteift, »der sich besser erst mal die Eier rasieren sollte«.
    »Woher weißt du das?«, fragte ich.
    Anscheinend müssen Lehrerinnen die Fragen ihrer Schülerinnen nicht beantworten.
    »Du musst lernen, Männer als Sexualobjekte zu sehen«, sagte Fliss. »Es ist nicht nötig, dass du sie magst.« Mit diesen Worten reichte sie mir saubere Klamotten, und die Unterrichtsstunde war beendet.
    ***
    Eine Stunde später

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