Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
ihr zu erklären. Aber er schwieg und hoffte, dass sie einfach weitersprach, weil sie verstand. Auch ohne Worte. Er war nicht gut im Erklären. Er war überhaupt nicht gut darin, mit fremden Menschen zu reden. Nicht einmal mit denen, die er kannte.
„Ich habe nicht viel Erfahrung, direkt mit Künstlern zu arbeiten.“ Martha lachte.
Henryks Anspannung löste sich. „So geht es mir mit allen Menschen.“
„Das dachte ich mir.“
„Wollen wir dann noch einmal ...“
„Die Bilder besprechen? Ich habe es mir schon überlegt. Ich will das Blumenmädchen.“
Henryk lächelte. Mit Tulpen und Mohn, wollte er fragen.
„Können wir uns treffen?“, fragte sie. „Heute Nachmittag?“
„Im Atelier?“
„Ich dachte eher an neutralen Boden.“
Henryk betrachtete die Eisblumen am Fenster. „So schlimm ist es hier auch wieder nicht.“
„Doch, ist es. Kommen Sie, ich lade Sie zum Kaffee ein.“
Das Café lag am Place Rogier im Espace Nord, einem Hochhaus-Viertel zwischen Kanal und Nordbahnhof. Elegant war es und teuer, und Henryk fühlte sich fehl am Platz in seinen schäbigen Kleidern.
Sie saßen an einem kleinen Tisch direkt am Fenster. Über Marthas Schulter hinweg musterte er die anderen Gäste, die meisten von ihnen Geschäftsleute mit Anzügen. Stimmgemurmel mischte sich mit gedämpfter Musik. Sie spielten Jazz, es roch nach Kaffee.
„Gefällt es Ihnen nicht?“ Martha trug ihr Haar in einem Knoten. Sie passte zu den Leuten in diesem Café.
„Doch.“ Er ärgerte sich, dass seine Stimme vibrierte. „Ich bin nur noch nie hier gewesen.“
Martha zuckte mit den Schultern. „Es ist das einzige Lokal in der Nähe, in dem man nett sitzen kann.“
„Arbeiten Sie hier im Viertel?“
„Ja.“ Sie rührte Zucker in ihren Kaffee. Silber klingelte gegen Porzellan. „Sehen Sie das große Hochhaus da drüben? Das mit den Simsen?“
Er nickte. Aus dem Augenwinkel musterte er die Speisekarte, einen schmalen Bogen Karton. Die Preise waren so klein aufgedruckt, dass er sie nicht lesen konnte, ohne seinen Kopf zu verrenken.
„Es war übrigens nett von Ihnen, noch einmal anzurufen.“
„Obwohl es mitten in der Nacht war?“
Sie lachte. „Die Überraschung war es wohl wert.“
„Der Anrufbeantworter hat mitten im Satz abgeschaltet.“
Martha legte den Löffel beiseite. „Sind alle Künstler so wie Sie?“
„Was meinen Sie?“
„Das wissen Sie genau.“
„Wollen wir nicht lieber“, Henryk senkte den Blick, „über das Bild reden?“ Es war warm im Café. Er hätte gern den Mantel aufgeknöpft, tat es aber nicht. Stattdessen bückte er sich zu seiner Ledertasche und nahm die Mappe mit den Zeichnungen heraus.
Martha drehte die Bilder zu sich herum und blätterte darin. „Tulpen und Mohn“, stellte sie fest.
„Und Kornblumen“, fügte Henryk hinzu.
„Die sind ja farbig.“
Er lächelte.
„Gestern Abend waren sie noch schwarzweiß, oder?“ Sie runzelte die Stirn. „Kohleskizzen. Wann haben Sie ...“
„Nachdem ich mit Ihrem Anrufbeantworter gesprochen habe.“
„Sie sind ja verrückt.“ In ihrer Stimme schwang Anerkennung. „Sie haben das alles heute Nacht gemalt?“
„Wasserfarben“, sagte Henryk. „Trocknet sehr schnell.“
„Das meinte ich nicht.“
Er rieb sich den Nacken. Die Silberspange an seinem Handgelenk klingelte. Als er ihren Blick bemerkte, senkte er die Hand. „Gefällt es Ihnen?“
Martha schüttelte den Kopf.
„Nicht?“
„Doch.“ Sie lachte, leicht verlegen.
Henry dachte, wie seltsam das war und dass es gar nicht zu ihr passte. Verlegen zu sein.
„Ich bin nur überrascht. Oder nein, eigentlich habe ich ein schlechtes Gewissen. Sie haben sich wegen mir die Nacht um die Ohren geschlagen.“
Er zuckte mit den Schultern, weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte. Das Gespräch nahm schon wieder die falsche Richtung. Er betrachtete seine Kaffeetasse und hoffte, dass Martha nicht erwartete, eingeladen zu werden.
„Aber um Ihre Frage zu beantworten“, sie lehnte sich vor, „ich finde es sehr schön. Wie lange werden Sie brauchen, um es zu malen?“
„Das hängt davon ab, wie schnell ich die Pigmente beschaffen kann.“
Martha sah ihn aufmerksam an.
„Wegen der Authentizität.“ Er gewann an Sicherheit. „Sie wollen doch, dass es eine Laboranalyse besteht.“ Henryk hielt inne. „Das wird jetzt ziemlich technisch. Sind Sie sicher, dass Sie das hören wollen?“
„Ich finde es hochinteressant.“
Eine Kellnerin
Weitere Kostenlose Bücher