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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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überlegen.«
    »Ich bleibe bei meiner Entscheidung«, sagte Anna entschlossen.
    »Ihr dürft Euch keinen Fehler erlauben, Anastasios.« Mit voller Absicht benutzte Leo den Namen, den Anna für dieses Vorhaben gewählt hatte. » Wie Ihr wisst, stehen schwere Strafen darauf, wenn sich eine Frau als Mann oder auch nur als Eunuch ausgibt.«
    »Dann muss ich eben dafür sorgen, dass es niemand merkt«, sagte sie schlicht.
    Ihr war von Anfang an klar gewesen, dass die Sache nicht leicht sein würde. Aber mindestens einer Frau war es bereits gelungen, sich als Eunuch verkleidet in ein Mönchskloster einzuschleichen. Sie hieß Marina, und die Täuschung war erst nach ihrem Tod bekannt geworden.
    Fast hätte sie Leo gefragt, ob er umkehren wolle, aber eine solche Kränkung verdiente er nicht. Außerdem war sie darauf angewiesen, ihm bei jeder Bewegung aufmerksam zuzusehen und alles, was er tat, genau nachzuahmen.

    Inzwischen hatte das Boot den Anlegesteg erreicht, und der gut aussehende junge Fährmann erhob sich von der Ruderbank. Mit den sicheren und selbstverständlichen Bewegungen eines Menschen, der auf dem Wasser lebt, warf er ein Tauende um einen Haltepflock und sprang dann lächelnd auf die Planken des Anlegers.
    Fast hätte Anna sein Lächeln erwidert, doch fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass das falsch gewesen wäre. Sie ließ ihren Umhang los, so dass der kalte Wind sie peitschte, und der Fährmann ging an ihr vorüber, um Simonis, die nicht nur älter und fülliger als Anna war, sondern ganz offenkundig als Frau zu erkennen, die Hand zu reichen und ihr ins Boot zu helfen. Anna folgte und setzte sich auf eins der Querbretter. Als Letzter kam Leo mit den Kisten, die ihre kostbaren Kräuter, Instrumente und Medikamente enthielten. Der Fährmann setzte sich wieder auf die Ruderbank, und es ging hinaus in die Strömung.
    Anna sah sich nicht um. Gewiss, sie hatte alles Vertraute hinter sich gelassen, ohne zu ahnen, wann sie etwas davon wiedersehen würde, doch jetzt kam es nur noch auf das an, was sie sich vorgenommen hatte.
    Die Strömung hatte das Boot schon ein ganzes Stück mit sich getragen. Wie eine steile Klippe ragten die Reste der Seemauer senkrecht über ihnen empor. Siebzig Jahre zuvor hatten die Lateiner sie beim vierten Kreuzzug erstürmt und dann die Stadt geplündert, niedergebrannt und ihre Bewohner vertrieben. Als Annas Blick daran emporwanderte, erschien sie ihr eher wie ein Werk der Natur denn wie etwas von Menschenhand Erbautes, und sie fragte sich, wie es überhaupt möglich gewesen war, einen Sturm darauf zu wagen – und dass er gelungen war, erschien ihr in diesem Augenblick vollends unmöglich.

    Sie hielt sich am Bootsrand fest und wandte den Kopf nach links und rechts, um die Ausdehnung der Stadt in sich aufzunehmen. Sie war so groß, dass sie sich überallhin zu erstrecken schien, auf jede Felsfläche, in jeden Küsteneinschnitt und über jeden Hügel. So dicht lagen die Dächer der Häuser beieinander, dass es ihr vorkam, als könne man von einem zum anderen hinüberlaufen.
    Der Fährmann lächelte über ihr kindliches Staunen. Sie merkte, dass sie errötete, und wandte sich ab.
    Jetzt waren sie Konstantinopel so nahe gekommen, dass sie die Reste der zerstörten Mauern und die dunklen Brandspuren darauf ebenso erkennen konnte wie das Unkraut, das aus den Ritzen wuchs. Es erstaunte sie zu sehen, wie unberührt alles aussah, hatte doch Kaiser Michael Palaiologos bereits vor vollen zwölf Jahren das Volk von Konstantinopel im Jahre 1262 aus den Provinzen, in die man es einst vertrieben hatte, in die Stadt zurückgeführt.
    Jetzt war auch Anna hier, zum ersten Mal und aus lauter falschen Gründen.
    Der Fährmann kämpfte mit aller Kraft gegen das Kielwasser einer Trireme an, die in Richtung auf das offene Meer vorüberzog. Das Wasser lief von den Blättern der in drei Reihen übereinander angeordneten Ruder, bevor sie wieder eingetaucht wurden. Hinter dem Dreiruderer sah Anna, wie Männer in zwei beinahe kreisrunden Booten die Segel herabließen und sich dann bemühten, ihren Anker genau an der richtigen Stelle zu werfen. Ob sie wohl vom Schwarzen Meer gekommen waren? Welche Art von Waren mochten sie gebracht haben?
    Inzwischen war das Fährboot schon fast in Reichweite des steinernen Anlegers, wo das Wasser im Schutz der mächtigen Wellenbrecher eine glatte Fläche bildete. Von irgendwoher
übertönte schrilles Lachen den Wellenschlag und das Geschrei der Möwen.
    Der Fährmann ruderte

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