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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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krank war, verletzt?
    Er klopfte laut an.
    Die Tür öffnete sich, und eine Frau stand ihm gegenüber, größer als die meisten, mit einem schlanken Hals, hohen Wangenknochen und leuchtend kastanienfarbenem Haar. Etwas an ihrer Schönheit berührte ihn. Es war ihm, als kenne er sie schon lange – dabei hatte er sie noch nie zuvor gesehen.
    Flammende Röte überzog ihr Gesicht.
    »Giuliano …« Ihre Stimme klang heiser, als falle es ihr schwer zu sprechen.
    Er wusste nicht, was er sagen sollte, doch dann begriff er. Er spürte, wie ihn eine große Verlegenheit überkam, während er an all das dachte, was er gesagt hatte, die Gefühle, die er ihr gezeigt hatte, was er ihr berichtet hatte. Auch wenn er die Worte nicht mehr wusste, empfand er doch nach wie vor das starke Gefühl der Nähe, der Vertrautheit, als ob man nichts voreinander zu verbergen brauchte.
    Dann erinnerte er sich an die körperliche Begierde, die ihn erfasst hatte, und die Scham und Verwirrung, die darauf
gefolgt waren. Es hatte ihn so große Mühe gekostet, das Gefühl zu bekämpfen.
    Ihn durchzuckte die quälende Frage, was sie gefühlt haben mochte.
    Während er an ihr vorbeisah, fiel sein Blick auf Kräuter und Salben, die zum Verpacken bereitstanden, als solle es auf eine Reise gehen.
    »Geht Schachar fort?«, fragte er. »Und Ihr?«
    Sie lächelte, wobei sie die Augen in rascher Folge öffnete und schloss, als wolle sie Tränen unterdrücken. »Die Kreuzfahrer können jeden Tag hier sein. Dann ist Konstantinopel kein guter Aufenthaltsort für Juden – und auch nicht für Moslems.«
    »Ist das der Grund, warum …« Er sah auf ihre Frauentunika. Peinlich berührt, merkte er, wie sehr es ihn freute, darunter ihren weiblichen Körper zu sehen, so wohlgeformt wie der Zoes.
    »Nein …«, sagte sie rasch. »Helena wollte mit den Angreifern gemeinsame Sache machen, zusammen mit ihnen hier im Lande herrschen. Sie ist Kaiser Michaels uneheliche Tochter. Ich habe Beweise für ihr Vorhaben entdeckt und dem Kaiser davon berichtet. Sie hat ihm gesagt, dass ich eine Frau bin.«
    Er spürte den Schmerz in ihrer Stimme, hob den Blick und sah, wie er sich voll Trauer auf ihrem Gesicht spiegelte. Er konnte sich vorstellen, wie sehr sie all das belastete.
    »Anas…« Er unterbrach sich im Bewusstsein dessen, dass er ihren Namen nicht kannte.
    »Anna Laskaris«, flüsterte sie.
    Er streckte seine Hand nach ihr aus, ohne sie zu berühren. Ihm gingen all seine Träume, Enttäuschungen und
fehlgeschlagenen Freundschaften durch den Sinn, die damit verbundene lange Zeit der Einsamkeit.
    »Es ist jetzt vorbei«, sagte sie ruhig. »Der Kaiser hat mir erlaubt fortzugehen. Ich kann auf keinen Fall länger in der Stadt bleiben. Simonis wird nach Nikaia zurückkehren. Wenn diese Stadt dann ebenfalls fällt …«
    »Das wird sie nicht«, unterbrach er sie rasch. »Keine Eurer Städte wird untergehen. Byzanz ist auf jeden Fall vor Charles von Anjou sicher. Seine ganze Flotte liegt auf dem Grund der Bucht von Messina. Ich habe es selbst gesehen. Dieser Kreuzzug wird nicht stattfinden.« Freude und Erleichterung stiegen in ihm empor. Er hätte sie am liebsten in die Arme geschlossen, fest an sich gedrückt, hochgehoben und herumgewirbelt. Der Wunsch, das zu tun, bereitete ihm nahezu körperliche Schmerzen.
    »Ihr braucht also nicht zu gehen …«, sagte er.
    Sie sah ihn an und betrachtete aufmerksam sein Gesicht. »Doch. Helena hatte Freunde und Verbündete. Sicherlich wissen sie, dass ich dem Kaiser ihre Pläne enthüllt habe. Man hat sie im Palast getötet, ihr das Genick gebrochen. Das werden sie mir nicht verzeihen.«
    Er versuchte, sich die Aufwallung der Gefühle und die Gewalttätigkeit vorzustellen.
    »Außerdem habe ich einen Brief Kaiser Michaels, mit dem er meinen Bruder begnadigt«, fuhr sie fort. »Ich muss damit …«
    »Nach Jerusalem?«
    »Und von dort zum Sinai.«
    Was sollte er in Byzanz, wenn sie nicht dort war?
    »Kehrt Ihr nach Venedig zurück?«, fragte sie mit stockender Stimme.
    »Nein.« Er schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf.
»Ich war einer von denen, die die Flotte in Brand gesetzt haben.« Warum diese plötzliche Bescheidenheit vor ihr? Weil Ruhmredigkeit zu nichts führte. Was er in allererster Linie wollte, war, sie nach Jerusalem zu begleiten, nicht nur ins irdische Jerusalem, sondern auch in jenes, wohin das Herz strebte.
    »Schachar braucht Byzanz also nicht zu verlassen«, sagte er leise. »Er wird hier in Sicherheit sein. Ich würde Euch

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