Die dunklen Wasser von Arcachon

wir in der Tat gestritten«, gab George zurück. »Aber wenn es ums Essen geht, Henri, da verrate ich Ihnen kein Geheimnis, da spinnt mein Sohn einfach.«
    Er machte sich gerade daran, die Geschichte mit dem chinesischen Kaffee zu erzählen, als sein Sohn mit einer entschuldigenden Geste die Runde verließ und vor das Haus eilte, wo er ein Geräusch wahrgenommen hatte.
    Muriel Rayon kam in einem alten roten Renault Clio, den sie schief zwischen alle anderen Autos stellte. Sie stieg hektisch aus dem Wagen und schien nervös vor der Begegnung mit dem Kollegen.
    Unsicher darüber, was zuerst zu sagen wäre, sagte sie viel zu viel: »Es tut mir so leid, Monsieur Kirchner, wirklich, es ist alles meine Schuld, ich bin eigentlich ein pünktlicher Mensch, aber ich irre jetzt seit gut zwei Stunden auf den Landstraßen hier herum, und irgendwie hab ich jedes Mal die Ausfahrt verpasst, anrufen wollte ich Sie deshalb auch nicht, Sie haben ja bestimmt viel zu tun, wirklich, wenn Sie mich kennen würden, wüssten Sie, dass das nicht meine Art ist …«
    Sie sprach schnell, mit der schönen, sympathischen Stimme, die Kirchner schon vom Telefon kannte. Sie war eine Frau um die vierzig, mit kastanienbraunen Haaren und vielleicht zwei, drei Kilogramm zu viel auf den Hüften. Kirchner fand sie auf den ersten Blick schön und angenehm.
    Als sie endlich näher beieinanderstanden, er ihre Hand schüttelte und sich ihre Augen zum ersten Mal in Ruhe trafen, ahnte Kirchner den Grund seiner kleinen Unruhe über ihr Ausbleiben. Es schien ihm, als hätte er, in einem weiter gefassten Sinne, auf diese Frau gewartet.
    Er sagte: »Guten Abend, Muriel, ich freue mich sehr, dass Sie hier sind.«
    Und beide gingen, als herrsche großes Einverständnis zwischen ihnen, durchs Haus zu den anderen auf die Terrasse, wo eben ein heiteres Wochenende begann, über das auch im fernen Paris noch eine ganze Weile geredet wurde.

 
    David Tanner , geboren 1965, wuchs als Kind deutsch-französischer Eltern in Bayern und Südfrankreich auf. Als Student schloss er sich verschiedenen Hilfsorganisationen an und bereiste mit ihnen die Welt. Tanner lebt als Kinderarzt mit seiner Familie in Paris.