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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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von Lämmern aus der Bucht des Mont St. Michel lagen in gewachstes Papier gepackt ganz außen in der Reihe, daneben eine Wanne voller kugelrunder bretonischer Artischocken und dicke Blöcke griechischen Schafskäses. Gläser mit konfierten Zitronen, Oliven aus Nizza und Sardellen aus Collioure standen inmitten von Frühlingszwiebeln in dicken Bündeln. Auf hellhölzernen konischen Austernkisten mit dem Aufdruck La Fête Océane, die sich Kirchner aus Arcachon hatte liefern lassen, lagen feste Ingwerknollen und chinesischer Schnittknoblauch.
    Er hatte an den frischen Schweinebauch gedacht, an die zehn Pfund Auberginen, die er für seine Vorspeise brauchen würde. Die Sandkarotten von der Loire waren da, die kleinen Kartoffeln aus Noirmoutier, die Entenbrüste aus Rouen und die Pflaumen aus Agen.
    Kirchner stellte sich vor den Kühlschrank, öffnete die Tür und ging in Gedanken noch einmal durch, was dort in Tüten verpackt lagerte.
    Der Käse wird reichen, dachte er.
    Er griff mit der Hand ins Kalte und tastete prüfend herum, er spürte den großen Keil eines Zwei-Kilo-Stücks Beaufort durchs Papier, die mürbe Rolle eines blauschimmligen Fourme d’Ambert, die Schachteln von Epoisses, Camembert de Normandie, die Steingutförmchen des Saint-Marcellin. Was den Käse anging, würde sein größter Schatz diesmal ein Dutzend kleiner Rocamadours sein, die von einem Produzenten stammten, dessen kleiner Bauernhof unweit des Dorfes direkt am Jakobsweg lag und der jede Ziege seiner Herde mit Namen kannte und behandelte wie geliebte Töchter.
    Es fehlte nur noch der Steinbutt. Kirchner hatte fünf große Fische bestellt und war unruhig darüber, was Garcin, ein befreundeter Kutterfischer aus Grandcamp, liefern würde.
    Er würde die Fische filetieren und ihre Gräten mit allen Abschnitten, Estragon und Wermut zu einem Fond einkochen, so dicht, dass er nach dem Erkalten schnittfest sein würde – eine perfekte Saucenbasis für die Steinbuttschnitten, die er mit einem Artischockengratin servieren wollte.
    Die Lammkeulen würde er mit Schafskäse, Zitronenconfit, gehackten Oliven und Rosmarin zu Rollbraten wickeln, die er langsam im Ofen schmoren würde, befeuchtet mit einer Weißwein-Wermutreduktion, die sich mit dem Fleischsaft und der austretenden Füllung zu einer betörenden Soße vereinen würde.
    Der Schweinebauch, hauchdünn aufgeschnitten, würde frittiert und mit einem cremigen, olivenöligen Auberginenpüree, gewürzt mit gemahlenen Senfkörnern, Zitronensaft und Koriander, serviert, lässig beschneit mit den feuchten Kristallen eines Meersalzes aus Guérande.
    Aus den Entenbrüsten würde er einen Zwischengang basteln, ihr gehäutetes Fleisch zu dünnen Scheibchen klopfen, die er mit Pflaumen und Ingwer rollen und dämpfen wollte.
    Die Austern würde er einfach so hinstellen, am Anfang, zum Champagner, und er würde eine Partie chinesisch würzen mit Ingwer, Sesamöl und heller Sojasoße.
    Kirchners Geschichte aus Arcachon, die Erzählung vom Leben und Sterben des Finanzministers Julien Lacombe, lag jetzt zwei Wochen zurück und hielt die Republik weiter in Atem.
    Vier Minister hatten bereits ihre Sessel räumen müssen, darunter auch Innenminister Baratin, der den Obduktionsbericht tatsächlich um die Schusswunde hatte zensieren lassen, ehe sich der diensthabende Pathologe der Nacht im Fernsehen zu Wort meldete und die Vertuschung auffliegen ließ.
    In Scharen waren die Kollegen nach Kirchners Abreise über Arcachon hergefallen, hatten noch einmal jeden Stein umgedreht und eine ganze Reihe weiterer Sexpartys ans Licht geholt, die nun in wollüstiger Ausführlichkeit die These von der Verkommenheit der politischen Klasse ausstaffierten. Ein Lokalreporter machte in Bordeaux die Gespielinnen der Mächtigen im Bordell eines ukrainischen Mafioso ausfindig und grub auch Telefonabrechnungen des Zuhälters aus, auf denen die Mobiltelefonnummern von Decayeux, Fleurice und anderen häufig auftauchten.
    Der alte Decayeux saß in Untersuchungshaft, ebenso der Austernzüchter Barrier und seine Frau, in deren Hütte die Polizei Lacombes goldene Breitling Navitimer gefunden hatte und fünfunddreißigtausend Euro in bar. Barriers Komplize Laporte saß in Haft und auch Decayeux’ Sohn, der als Mittäter verdächtigt wurde. Der Präfekt von Bordeaux war seines Amtes enthoben und erwartete sein Gerichtsverfahren. Guillaume und Nadine Dufaut hatten sich jeden zweiten Tag auf einem Polizeirevier zu melden und zur Verfügung zu halten.

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