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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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Christbaumkugeln.
    An der Stirnseite des Raums stand eine breite Küchenzeile, begrenzt nach rechts von einem Kühlschrankturm, ein paar Meter links daneben schimmerten die Klappen zweier hochgebauter Herde. Mittig dazwischen waren alte Spülbecken aus weißem Porzellan montiert, eingelassen in großzügige Arbeitsflächen aus hartem Holz, die über und über Spuren intensiven Kochens zeigten – kreisrunde Muster eingebrannter Topfböden, Messerschnitte, Schrammen. Gusseiserne Kasserollen in schwarz und orange baumelten die Wand entlang an schweren Fleischerhaken, Pfannen aus Kupfer, Bräter aus Eisen, Stieltöpfe jeder Größe, ellenbreite Fischpfannen, Dämpfgeschirr, Siebe.
    Die eigentliche Feuerstelle, fünf gasgetriebene Flammen, deren mittlere selbst wannengroßes Kochgeschirr heizen konnte, war eingebaut in einen tafelgroßen Tisch, der parallel zur Küchenzeile im Raum stand, eine Insel, die sich fast hüfthoch aus dem Boden erhob, unterbaut mit Schubfächern und Schränken, mit langen Regalen voller Kochbücher. Darüber spannte sich eine Abzugshaube aus Inox-Stahl, deren Schlund glatt sechs Meter hoch zur alten Balkendecke reichte, mit Drähten raffiniert in ihrer Position gehalten, an denen wiederum Utensilien griffbereit und in Augenhöhe aufgereiht hingen wie Wäsche zum Trocknen: Schaumsiebe und Schöpflöffel, Fleischgabeln und Wetzstähle, Schneebesen, Reibeisen, Hobel, Pressen, Stopfnadeln, Schälwerkzeug.
    Antoine Kirchner, groß und schwer, aber dabei ein eleganter Mann, dem man ansah, dass er einige Energie darauf verwendete, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen, machte sich Kaffee. Bei seiner Rückkehr aus dem Libanon zwei Wochen zuvor hatte er sich aus Paris chinesische Bohnen mitgebracht, gekauft bei einem Röster in der Rue Rambuteau, die einen sehr eigenen Duft verströmten. Nun saß Kirchner mit der Mühle zwischen den Beinen auf einem Holzstuhl und ließ das Mahlwerk mit kreisenden Armbewegungen knirschen.
    Morgens setzte er sich nie an den großen Esstisch, der der Küchenzeile gegenüber Richtung Kamin und Geschirrschrank den Raum füllte und von einem guten Dutzend hell gerahmter Thonet-Stühle umringt wurde. Wenn seine Tage begannen, nahm er stets Platz an einem kleinen Tisch, der an der Meerseite des Hauses an einem der Fenster stand. Darauf lag linker Hand ein kleiner silberner Laptop, rechter Hand der Stapel Zeitungen, den sein Vater jeden Morgen zuverlässig dort ablegte.
    Libération und Aujourd’hui en France , Le Figaro und Ouest France , L’E quip e und Le Monde vom Vorabend, die Herald Tribune , die Süddeutsche und die Neue Zürcher Zeitung , die Magazine der Woche, Match , Nouvel Observateur , Marianne , Time und Der Spiegel , aber auch die Frauen-Magazine aus Paris stapelten sich, genau wie die Lokalzeitungen aus der Gegend, aus Caen und Cherbourg. Kirchner war ein Suchtleser, er liebte die gedruckte Presse, er war abhängig von ihr. Je nach Stimmung und Tageslage las er in seiner Küche intensiv ganze Vormittage lang, aber es konnte auch vorkommen, dass er nur kurz blätterte, auf der Suche nach dem schnellen, kleinen Reiz.
    An diesem Morgen wusste er, dass all die Zeitungen und Zeitschriften keine Nachrichten enthalten würden, die mit Pelletons frühem Anruf zu tun haben konnten, deshalb blätterte er nur achtlos und unkonzentriert in L’ Equipe und amüsierte sich über die Niederlage der französischen Fußballer gegen China.
    Er wartete darauf, dass die Kaffeemaschine, ein schweres deutsches Fabrikat, ihr Werk endlich fauchend getan hatte, und schenkte sich das dunkle Gebräu in eine Tasse mit verblichenem Silberrand ein.
    Der Finanzminister, tot im Meer vor Cap Ferret. Kirchner überlegte, wie er die Geschichte angehen könnte.
    Er nippte am Kaffee. Er ist gut, dieser chinesische Kaffee, sogar sehr gut. Kirchner trank ihn schwarz mit einem Löffel Zucker, spürte dem exotischen Aroma nach, kaute auf dem Kaffee herum. Schokolade , dachte er, der Röster hat recht, schmeckt nach Schokolade .
    Sein Vater kam in die Küche, Erde an den Stiefeln, Filou auf seinen Fersen, sie brachten eine schöne Brise des frischen Morgens mit herein. Der alte Kirchner nahm sich einen Henkeltopf bedruckt mit einer Girlande aus Rosen, die den Schriftzug George umrankte, und schenkte sich ein.
    »Vorsicht«, sagte Kirchner, »nicht einfach so. Das ist ein sehr vornehmer Kaffee aus China. Schmeckt nach Schokolade.«
    Der Vater hob den Topf zur Nase, machte ein neugieriges

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