Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
lassen können? Was willst du hier überhaupt? Wenn ich es recht überlege, kenne ich dich nicht einmal richtig, oder? Es ist ja erst ein paar Tage her, dass wir uns zum ersten Mal getroffen haben, und ich ...«
Durch die aufsteigende Besorgnis bei ihrem Herrn und Meister in Alarmbereitschaft versetzt, steckte Pip ihren Kopf unter dem Kragen der Uniform hervor. Mitfühlend wandte sich Flinx auf dem Stuhl um und betrachtete seine mit einem Mal völlig aufgeregte Begleiterin. Müde. Es war ein anstrengender Vormittag gewesen, eine aufreibende Woche. Sie war so müde. Das jedenfalls suggerierte er ihr, ein Gefühl von Erschöpfung, das sie alles andere mit einem Schlag vergessen ließ. Als sie sich gegen die Bürowand lehnte, dann an ihr herabglitt und schließlich kraftlos auf die Seite sank, stand er auf und legte ihr behutsam ein paar Sitzkissen unter den Kopf. Nachdem ihr Zustand emotionaler Erschöpfung durch sein Einwirken verstärkt worden war, würde sie eine Weile tief und fest schlafen. Und bis sie wieder erwachte, so hoffte er, war er mit seinen Nachforschungen fertig. Danach brauchte er seinen empathischen Griff auf sie nur noch so lange aufrechtzuerhalten, bis sie sicher aus der Einrichtung heraus waren und sich wieder unter die wimmelnden Urlaubermassen Tacricas gemischt hatten. Er würde sie, verwirrt und durcheinander, aber ansonsten unverletzt, einfach an irgendeiner vertrauten Straßenecke stehen lassen und dann still und leise für immer aus ihrem Leben verschwinden.
Doch das musste warten bis zum Abend. Im Augenblick hatte er andere Dinge zu tun.
Sie hatte die erforderlichen Passwörter schon eingegeben. Der Zugang war bereits gewährt. Keine weiteren Authentifizierungen wurden von ihm verlangt. In Anbetracht der Sicherheitsmaßnahmen, die außerhalb der kleinen Box getroffen waren, konnte das nicht weiter verwundern. Die Verantwortlichen hatten es vorgezogen, ihre Energien lieber auf das Aussieben unerwünschter und unbefugter Personen zu verwenden, bevor diese in das Innere des Verteilers eindringen konnten. Demzufolge hatte keine Notwendigkeit bestanden, den eigentlichen Kern der Anlage durch kostenintensive zusätzliche Maßnahmen zu schützen. Dennoch wollte Flinx noch nicht allzu siegessicher sein. Bislang hatte er lediglich Zugriff auf die Hardware. Die wirkliche Bewährungsprobe würde erst kommen, wenn er Datenbestände zu sichten versuchte, die über das hinausgingen, was der Allgemeinheit zugänglich war.
Automatisch auf die entsprechenden Gedankenimpulse der Person reagierend, die vor ihm saß, bildete das Terminal in dem dafür vorgesehenen Raum über dem Desktop-Projektor eine flache Seite ab. Auf Anforderung war das Gerät in der Lage, jedes gewünschte dreidimensionale Objekt darzustellen, von einfachen Kugeln und Kuben bis hin zu aufwendigen Karten und komplizierten technischen Diagrammen. Aber so etwas Exotisches verlangte Flinx gar nicht. Ihm reichten als Antwort schon ein paar klärende Worte.
Mit einem raschen Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass Elena Carolles noch schlief. Sodann instruierte er die Einheit, auf bestimmte Befehle verbal zu reagieren, und überprüfte zur Sicherheit noch einmal die akustisch-optische Abschirmung des kleinen Büros. Da er die unaufhörliche Prozession, die draußen vorbeizog, als eher störend empfand, befahl er der Einheit, die optische Abschirmung in beide Richtungen vorzunehmen. Indem er einen mentalen Schalter umlegte, war es Flinx möglich, wann immer er wollte nach draußen zu sehen, wohingegen die, die außerhalb der Bürozelle arbeiteten, nicht hineinschauen konnten. Kein einziges Geräusch würde über die Grenzen der Arbeitsnische hinausgelangen, solange er nicht die entsprechende Anweisung gab.
Solchermaßen wie in einen Kokon eingeschlossen, lehnte er sich, das Induktionsband lässig um den Kopf geschlungen, auf seinem Stuhl zurück und machte sich ans Werk.
Er begann mit einer oberflächlichen Abfrage der globalen Ereignisse von 533: seinem Geburtsjahr. Unnötig zu erwähnen, dass die Nachricht über seine Ankunft auf der Welt es nicht auf irgendwelche Titelseiten geschafft hatte. Eine Verengung des Fokus auf den indischen Subkontinent erbrachte, abgesehen von dem, was er bereits von früheren Recherchen her wusste, wenig. Die meisten Schlagzeilen jener Woche, in der er geboren worden war, drehten sich um den legendären Joao-Acorizal-Sieg der Surfmeisterschaften auf Dis. Doch da er ohnehin nicht damit gerechnet
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