Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
einem unbekannten Mann. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Ingredienzien zu seiner Entstehung nachträglich von wohlmeinenden, aber hoffnungslos eklektizistischen Melioraren verrührt, geschüttelt, durcheinandergewürfelt und wieder zusammengefügt worden waren.
Er wollte alles über seine biologischen Eltern wissen, insbesondere was den unbekannten Samenspender – seinen Vater – betraf. Und er wollte, soweit möglich, sämtliche Einzelheiten über seinen Fall in Erfahrung bringen, aber auch herausfinden, was die Melioraren sich eigentlich davon versprochen hatten, in seine fötale DNA einzugreifen. Bisher besaß er nur vage Hinweise. Was er wollte, war Gewissheit.
Und so forschte er weiter in den Tiefen des Systems, kombinierte Schlüsselbegriffe aus den Berichten mit dem, was er schon wusste. Es war nicht ganz ungefährlich, was er da tat. Falls bestimmte Datensätze mit irgendwelchen Warnvorrichtungen gesichert waren, konnte es durchaus sein, dass er sie längst ausgelöst hatte.
Immer tiefer wühlte er sich in die ausführlichsten Beiträge hinein, bis seine Recherche schließlich in eine Anfrage nach dem originalen Quellenmaterial mündete. Diese führte ihn vom Medienarchiv, das die Berichte sammelte, zu den wissenschaftlichen Zentraldatenbanken des Commonwealth auf Bali und in Mexico City. Sicherheitswarnungen tauchten auf, gefolgt von unerbittlichen Zugangssperren. Mithilfe der Kenntnisse, die er sich über Monate hinweg durch den regelmäßigen Umgang mit dem hochkomplizierten System an Bord der Teacher erworben hatte, überwand er sie alle.
Enttäuscht musste er jedoch feststellen, dass der größte Teil des Materials, das er schließlich zu sehen bekam, ihm entweder nicht weiterhalf oder sich doch nur wiederholte. Kurz: Bis jetzt stand die Gefahr, der er sich mit dieser Aktion aussetzte, in keinem Verhältnis zum erzielten Ergebnis.
Ein File mit dem Namen »Melioraren, Eugeniker, Geschichte« stach ihm verführerisch ins Auge. Offensichtlich schien es bereits geprüftes Material zu enthalten, doch blieb es nach wie vor durch die inzwischen vertrauten strengen Sicherheitsmaßnahmen geschützt. Er trickste und optimierte und hackte sich schließlich hinein. Wie nicht anders erwartet sah er sich kurz darauf mit trockenen und in wissenschaftlichem Ton abgefassten Informationen konfrontiert, die er bereits kannte. In öffentlichen Sybdateien und Fußnoten ähnlichen Inhalts wurde der Geburtsname seiner Mutter genannt – nichts Neues, nichts, was weiteren Aufschluss gab.
Unter dem Baldachin seiner Hoffnungen reichten sich Stumpfsinn und Enttäuschung zur Vermählung die Hand: ein alles besiegelndes Bündnis. Vielleicht hatte er bei seinem letzten Besuch auf der Erde und in dem Wissenschaftszentrum auf Bali ja wirklich alles herausgefunden, was es über seine persönliche Geschichte in Erfahrung zu bringen gab.
Während er frustriert seine Suche fortsetzte, stieß er auf eine Sybdatei, die mit »Zusammenhänge, Querverbindungen, Tabellen« übertitelt war. Er visierte sie an und sandte einen mentalen Impuls an das Terminal. Nichts tat sich. Die Syb blieb verschlossen, und dies, obwohl sie allem Anschein nach in keinem besonderen Maße vor fremdem Zugriff gesichert war. Und doch bekam er keinen Zugriff darauf. Und dann geschah etwas höchst Interessantes.
Die Datei verschwand.
Vor seinen Augen.
Augenblicklich setzte Flinx sich aufrecht und starrte verblüfft auf den Schirm. Alle anderen relevanten Informationen waren noch da – unverändert und zu seiner freien Verfügung. Aber das letzte Sybfile war fort – vielmehr hatte es, darin einem Wiederkäuer nicht unähnlich, einen Haufen Irgendwas zurückgelassen und war weitergezogen. Für einen unbedarften oder naiven Betrachter sah das neue Objekt genauso aus wie die Syb, die es ersetzt hatte. Flinx jedoch wusste genau, was es war: ein Alarm.
Vielmehr ein ganzes Aufgebot an Sturmglocken.
Mit aller Behutsamkeit, deren er fähig war, wies er die Sucheinheit an, die letzten Eingaben rückgängig zu machen. Doch der Alarm blieb bestehen, unbehelligt und unscheinbar, seine wahre Natur hinter einer raffinierten Maske versteckend. Flinx war auf irgendetwas Hochsensibles getreten, und es hatte mit einem leisen, gefährlichen Knurren darauf reagiert. Während er sich um die ausgefuchste kleine Landmine herumzulavieren versuchte, indem er virtuos auf der Shell spielte wie auf den Saiten eines feingestimmten Instruments, scannte er das
Weitere Kostenlose Bücher