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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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und Wagner, den alten Antisemiten und Stabreimer auch. Moritz Klein, in dir steckt der Humanismus, in dir steckt die Aufklärung, davon weißt du zwar verzweifelt wenig, aber reiß dich zusammen und tue wenigstens so, als wärst du ein würdiger Spross der guten alten deutschen Tradition. Und dann quetsch diesen Idioten aus wie eine ungespritzte Zitrone.
     
     
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    Ich ließ Honig zwei Minuten Zeit, seine Atmung zu stabilisieren. Mir soll schließlich keiner sagen, ich sei inhuman. Als er wieder regelmäßig und ruhig atmete, fragte ich ihn: „Und jetzt erzähl erst einmal, was mit Georg Weber ist.“ Diese Frage überraschte Honig sichtbar. Seine Augen weiteten sich, ich wusste nicht, ob vor Erleichterung oder Schreck. „Georg Weber? Na keine Ahnung, ehrlich. Der war eines Tages nicht mehr da und mehr gibt’s zu diesem Thema nicht zu sagen.“
    Ich zündete mir eine Zigarette an und dachte nach. Erstens darüber, ob ich in Honigs Wohnung einen Aschenbecher finden würde, zweitens, warum mich seine Antwort jetzt nicht wirklich überraschte und ich ihm sogar glaubte. Das erste Problem löste sich, als ich meinen Blick über den Nachttisch schweifen ließ und tatsächlich einen Aschenbecher erspähte. Honig selbst spähte begierig auf das brennende Ding zwischen meinen Lippen, ich ignorierte das kalt. Sagte: „Belohnungen gibt es erst, wenn eine Frage richtig beantwortet wurde“ und gab dem gefesselten Mann eine neue Chance: „Dann erzähl mir jetzt alles zu diesen Plüschosterhasen.“
    Man konnte zuschauen, wie in Honigs Kopf Wahrheit und Lüge miteinander rangen, wie eine unverbindliche Mischung aus beidem entstand, um mir als „volle Wahrheit“ aufgetischt zu werden. Gottlob hatte Honig keinen Vorsorgekurs bei der Atomindustrie belegt, war also ein reiner Amateur. Ich nahm die Rolle Leukoplast in die Rechte, warf sie spielerisch in die Linke und so weiter. Eine kleine Wahlhilfe zugunsten der Wahrheit.
    „Die Plüschosterhasen?“ fragte Honig zeitschindend. „Ach so, die Plüschosterhasen!“ Ich ließ ein paar Laute demonstrativer Ungeduld hören, begann einen Streifen Leukoplast von der Rolle zu wickeln, sagte mit einem beiläufigen Blick auf die Armbanduhr: „So, ich muss gleich gehen. Bisschen Heftpflaster noch auf die Fresse – meinen Sie, Ihre Nasenlöcher tuns noch die nächsten zehn bis zwölf Stunden?“ Honig schluckte mehrmals, der Schweiß auf seiner Stirn verdreifachte sich.
    „Ja“, sagte er schließlich, „die Plüschosterhasen!“ Ich stand auf und schüttelte den Kopf. „Schade, mein Lieber. War nett, Sie gekannt zu haben. Also was ist mit den Osterhasen? Und erzählen Sie mir jetzt nichts von irgend welchen depperten Sätzen.“
    Honig schien aufzugeben, ließ ein tiefes und resigniertes „Ach!“ hören. „Ja, die Formeln halt“, sagte er endlich. „Weiter“, ermunterte ich ihn, „welche Formeln?“
    „Keine Ahnung.“ Honigs Stimme erreichte den Jammerton von 440 Hertz. „Wir sind doch nur die Zwischenstation. Ich weiß nur, dass es handgeschriebene Papiere sind, weil mal eine Figur kaputt war und halt so ein Zettel rausgefallen ist, ein Zettel mit so Formeln drauf. Und die kommen aus Bangladesch oder Indien oder was weiß ich.“
    „Und ihr leitet das dann weiter nach St. Malo, ja?“ Mein Wissen überraschte ihn sichtlich, er nickte. „Mehr wissen wir nicht, ehrlich!“ Es klang flehend, ich grinste ihn hartherzig an. „Und die beiden Häschen, die sie letztens an Bruggink geliefert haben? Hä?“ Das saß. Er ließ seinen Kopf auf das Kissen sinken. „Ich weiß nur, dass mir Lydia gesagt hat, ich soll die beiden zu Bruggink bringen. Ab und zu ist das so. Dann gehen die nicht nach Frankreich, sondern halt zum Konsul. Aber...“ Ich winkte ab. „Ja, ja, Sie wissen selbstverständlich nichts Näheres. Aber jemand macht euch Konkurrenz? Wer?“ Das sei ja die Scheiße, presste es sich aus dem Bettlägrigen. „Da sind neue Player aufgetaucht, sagt Lydia, keiner kennt sie, aber sie mischen sich halt ein. Einen Hasen haben die uns abgenommen und mir die Nase zertrümmert. Harte Burschen, das.“
    Nun, ich war auch ein harter Bursche, wie ich feststellte. Die Freude darüber dauerte aber nicht lange. Denn draußen an Honigs Wohnungstür tat sich etwas. Jemand war eingetreten, hielt jetzt inne, die Tür fiel ins Schloss.
     
     
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    Ganz unter uns: Das Leben kann manchmal scheißkompliziert sein. Dies mag all jene überraschen, die Politikern vertrauen oder sich mit

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