Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
diskret nachgeschaut, was mein Herr und Meister so googelt. Kennst du AMU? Die antimonetaristische Union?“ Es hätte mich gewundert, sie zu kennen."Dacht ich mir, kannte die nämlich auch nicht. Die AMU wurde nach dem 2. Weltkrieg mit dem Ziel gegründet, die Geldwirtschaft durch Tauschwirtschaft zu ersetzen. Denn Geld sei, so sagen es die Proklamationen der AMU, die Wurzel allen Übels und für sämtliche Kriege verantwortlich sowieso natürlich für alle Ungerechtigkeiten, Ausbeutungen und Hungersnöte.“
Ich nickte. War doch was dran. Klang zwar schwer nach Steinzeitkommunismus, aber da wir geradewegs in den Steinzeitkapitalismus steuern, wollte ich die Sache nicht zu eng sehen.
„Je nun“, fuhr Oxana fort, „diese AMU wurde immer nur als ein Kaffeekränzchen naiver Spinner und Weltverbesserer belächelt. Nicht mal die CIA hatte die auf dem Schirm, wo die doch sonst schon eine Akte anlegen, wenn ein betrunkener Schauspieler in Hollywood ‚fuck you, Obama’ denkt. Aber dann – du ahnst es – kam die große Finanzkrise. Und viele Leute sagten sich: Hoppla, scheint ja was dran zu sein an der Tauschwirtschaft. Seitdem jedenfalls hat die AMU Oberwasser. Immer mehr Mitglieder, Artikel in seriösen Zeitungen, sogar Internetwerbung. Und wo befindet sich die Zentrale von dem Laden? In Neu-Delhi, Indien. Aber das Beste kommt noch.“
Das Beste kommt immer zum Schluss und manchmal ist etwas endlos und das Beste kommt gar nicht. Geschenkt. Ich machte erwartungsvoll „Ah!“ und Oxana lächelte mir ein hinreißendes „Joar“ zurück. „Der Präsident dieser Union ist ein Inder mit englischem Papi. Und heißt? Singhala Easterman.“
Ostermann also. Ich ließ die Information sacken und dachte an Sonja Weber. Von ihr allein konnte Marxer den Hinweis auf die AMU erhalten haben, was bedeutete, dass sie eine Menge über die Osterhasengeschichte wissen musste. Oxana erriet meine Gedanken. „Woher Sonja das wohl alles weiß?“
Das nun wussten wir beide nicht. Nur, dass hier ein Komplott geschmiedet wurde, der Siegeszug der Tauschwirtschaft, der Niedergang des Geldes, die Welt auf den Kopf gestellt. Kurzum: eine globale Intrige mit irgendwelchen Formeln, die über ein hochgeheimes Verteilernetz liefen und - ja was und? Das wussten wir auch nicht. Noch nicht.
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Ich versuchte, mir diese antimonetaristische Union als einen Feind vorzustellen, allein: Es gelang nicht. Rettungsschirme fielen mir ein, unter denen Banken und bankrotte Staaten dichtgedrängt dem Schuldenschauer trotzten, das gute alte Kapital saß völlend am reichgedeckten Tisch und verschlang die Arbeit, „heute im Sonderangebot, all you can eat, also haut rein!“
Oxana hingegen blieb auf dem Boden der Tatsachen. Utopien, so meinte sie, seien deshalb Utopien, weil sie in der Wirklichkeit gescheitert seien. Und ich solle doch gefälligst nicht vergessen, dass bei dieser ganzen Aktion bisher auch Menschen sterben mussten und hinter allem wohl doch nur der schnöde Profit stecke oder der übliche Größenwahn von Menschen, die schon als Kleinkinder als Berufswunsch „Weltherrscher“, „Diktator“ oder „irgend so etwas wie Gott, nur größer“ gekräht haben. Hm ja, das stimmte. Aus Oxana sprach die russische Erfahrung.
Wir setzten uns – oh, wie dicht! – vor den Laptop und googelten die AMU, fanden sogar eine deutsche Website, in deren Impressum sich ein „Freundeskreis einer humanen Weltwirtschaft“ als verantwortlich bezeichnete. Die Leutchen saßen in Hamburg, es gab eine Emailadresse, die ich mir für alle Fälle notierte. Inhaltlich gab es einen Überblick, die geldfreie Wirtschaft betreffend, dass sie noch immer an gewissen entlegenen und von der Zivilisation bislang verschonten Orten existiere und das mit Erfolg. Und auch hierzulande setze sie sich immer mehr durch. Zwar zunächst im überschaubaren Rahmen alternativer Kreise, das letzte Finanzdebakel habe jedoch bestätigt, dass die Sehnsucht der Menschheit ganz eindeutig in Richtung.... und so weiter und so fort, wenig Konkretes wurde mitgeteilt und schon gar nicht, wie sie denn in praxi aussehen könnte, die Gesellschaft ohne Herrn Ackermann und die Börsenhaie.
„Also“ resümierte Oxana, „ganz langsam ergibt sich ein Bild. Entweder sind diese ominösen handschriftlichen Aufzeichnungen Teil eines Plans, die geldlose Ökonomie einzuführen oder aber – Teil eines Plans, die Geldwirtschaft zum Kollabieren zu bringen. Lydia Gebhardt und Co. fungieren wohl nur als
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