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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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verstorbenen Herrn Grafen.“
    Wieder meldeten sich zwei der Anwesenden, wieder waren weder Regitz, Borsig noch ich unter den zukünftigen Trägern noch so gut wie neuer Smokings.
    „Haha“, lachte Borsig, „du nimmst den linken Mops und du den rechten, das nennt man Büstenhalter!“ Regitz strafte diesen Ausbruch eines schlüpfrigen Scherzes mit einem brutalen Augenaufschlag ab, Borsigs Schädeldecke schwebte einen halben Meter über dem Boden.
    „Und dann noch... drei Helfer für Entladen und Lagerarbeiten bei Gebhardt und Lonig, Im- und Export, Stundenlohn nach erbrachter Leistung.“
    Drei Arme gingen nach oben, es waren die von Regitz, Borsig und mir. Zum ersten Mal wandte mir der König der Tagelöhner das Gesicht zu, musterte mich mit all seiner Menschenkenntnis und zog den Rotz durch beide Nasenlöcher in die Mundhöhle, kurz davor, ihn von dort ins Freie zu befördern.
    „Geht ja genau auf“, freute sich Wilke.
    „Ja“, entgegnete Regitz, „das werden wir noch sehen.“
    Zu dritt verließen wir den Container.
    „Na, du Schlampe, wenns außer Kaffee auch mal Blasen ohne Gummi gibt, sag Bescheid“, grollte Regitz dem studentischen Fräulein im Vorbeigehen zu. Dessen Rotbäckchen wurden blass, ihre Trägerin wankte bedenklich.
    „Aber wahrscheinlich auch noch zu blöd zum Schlucken“, resümierte Regitz, und so schritten wir der Wilhelm-und-Jakob-Grimm-Straße zu, der Heimat von Gebhardt und Lonig. Es hatte funktioniert. Keine Ahnung, was mich erwartete, aber eine leise Ahnung, es würde nichts Gutes sein.
     
     
    23
    Eine kurze Weile gingen wir nebeneinander her, um, wie es die Dichterin mustergültig formuliert, „gemeinsam zu schweigen“. Drei Proletarier auf dem Weg zur Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, ihren Marx wie Schillers „Glocke“ auswendig im Hinterkopf. Drei Männer wie die Orgelpfeifen: rechts schritt stolz Leopold Regitz mit seinen imposanten Einsneunzig, in der Mitte ich, ein wenig kleiner, und links jener auf den Namen Borsig getaufte Zwerg mit der Schalke-Mütze. Windböen warfen sich uns rowdyhaft in den Weg und rissen halbstark an unserer Bekleidung, Regitzens Zimmermannshut deformierte sich jaulend (tatsächlich, ich habs mit eigenen Ohren gehört) und die Kälte umschmeichelte uns wie die amerikanische Diplomatie bundesdeutsche Außenminister. Es war ein Bild für die Götter.
    „Bist du schwul?“ fragte mich Regitz von der Seite, ohne mich anzuschauen. Ich schüttelte den Kopf, Regitz musste es im Augenwinkel wahrgenommen haben, denn er brummte eine Kadenz der Befriedigung. „Wählst du die FDP?“ – Ich erschrak und presste ein „Oh leck! Dann soll ich tot umfallen!“ hervor. Wieder brummte es aus Regitzens monströsem Leib. „Trägst du dich mit dem Gedanken, bei ZDF-Shows dämliche Wetten anzubieten?“ Auch das konnte ich guten Gewissens verneinen.
    Regitz nahm mich fast zärtlich am Arm. „Denn wisse: Ich arbeite nie mit schwulen und profilierungsgeilen Pseudoliberalen zusammen. Vermöbele deine Alte, riech an Damenschlüpfern oder nimm einem armen Kind den letzten Teddy weg. Is okay. Da ist Regitz tolerant. Aber wehe, wehe!“
    Ich merkte es mir gut. „Und wenn du genug an den Schlüppern gerochen hast“, quatschte mich nun Borsig von links an, „dann reich sie mir rüber. Bist auch ein guter Kerl.“ Ich versprach es hoch und heilig.
    Die Lagerhalle von Gebhardt und Lonig, Im- und Export, war nicht zu übersehen. Auch hier brannte schon Licht, zwei LKW brummten vor dem geöffneten Tor, ein Mann im sicher maßgefertigten Businessanzug ging ungeduldig auf und ab.
    „Aha“, sagte Regitz, „der Stecher der Chefin. Das ist gut. Der spritzt sein Hirn dreimal die Woche ab.“ Und zu mir gewandt: „Pass auf, mein Sohn. Du hältst hier das Maul. Egal, was du siehst. Ok? Sonst zeigt dir Regitz was es heißt, wenn unter dem Christbaum keine Kugeln mehr baumeln.“
    Was nun geschah, hätte als Paradigma vollendeter Schauspielkunst in die Geschichte eingehen können, wäre zufällig ein Theaterkritiker vor Ort gewesen. Der doch so stolze Regitz wurde, je näher wir dem Lagertor und dem davor wandelnden – Zitat – Stecher der Chefin kamen, zum körperlich und seelisch gebeugten Arbeitnehmer minderer Güte, er nahm sogar den Zimmermannshut ab und drehte ihn verlegen in den Händen, blieb vor dem Manne in geziemender Entfernung stehen und führte einen formvollendeten Bückling aus.
    „Guten Morgen, Herr stellvertretender Geschäftsführer Honig“,

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