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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Geschenkkultur, die in unserem Inneren leuchtenden Augen der mit sprechenden und ohrenwackelnden Osterhasen bedachten Kinder trieben uns an – bis Herr Honig, der es zwei Stunden verstanden hatte, jede Kiste zu zählen und uns auf die Finger zu schauen, ein generöses „10 Minuten Pause, aber keine Sekunde mehr“ in die Halle donnerte und zu seinem Handy griff. Der devote Regitz wäre beinahe mit einem „Oh dank dir, Massa!“ auf die Knie gesunken, die beiden tamilischen Jungs jedenfalls ließen die Hämmer buchstäblich fallen und zogen großzügige Frühstückspakete aus ihren Nageltaschen.
    „Ich geh eine rauchen, kommst mit?“ fragte Regitz, doch ich entzog mich der dringend benötigten Nikotinzufuhr heldenhaft mit einem „Muss pinkeln.“ „Da hinten die Treppe hoch, zweite links“, klärte der Mann mit den zwei Gesichtern auf, „aber nicht zu viel am Männchen rumspielen.“ Ich nickte dankbar.
    - und hatte Glück. Der Bürotrakt lag noch im Dunkeln, allein im Flur wies eine trübe Birne den Weg an den Zimmern vorbei, sämtlich akkurat mit Namensschildchen versehen. Honig hieß tatsächlich Honig, eine Person namens Lonig schien hier nicht zu arbeiten. Ein Georg Weber auch nicht, was sehr merkwürdig war. Allerdings gab es ein Zimmer, für das kein Schildchen den Besitzer des dort garantiert befindlichen Drehstuhles verriet. Die Tür war unverschlossen, ich öffnete sie vorsichtig und leise. Man hätte als erfahrener Detektiv natürlich eine Taschenlampe mitgenommen. Ich aber war ein noch gewiefterer Bursche und machte einfach das Licht an.
    Alle Schubladen waren leer, im Rollschrank an der Wand eine Handvoll Ordner mit Lieferscheinen, akkurat abgehakt und mit dem Kürzel G.W. versehen. Konnte ja sein, dass hier auch ein Gregor Wurst oder eine Georgia Wiener arbeiteten, aber ich glaubte es nicht. Hier hatte bis zu seinem Verschwinden Georg Weber fleißig buchgehalten, doch niemand rechnete mehr mit seiner Rückkehr. Warum wohl?
    Ich absolvierte einen hastigen Toilettengang, rauchte heimlich wie früher auf dem Schulklo und stand pünktlich nach zehn Minuten im nunmehrigen Wirrwarr der geplünderten Kisten. Die Nageljungs kauten noch immer an ihren Broten, Honig hatte sein Handy nach wie vor am Ohr, Regitz und Borsig unterhielten sich etwas abseits über das Vermächtnis von Christoph Schlingensief oder das Für und Wider von Geldanlagen in Zeiten der Eurokrise. Oder über ganz etwas anderes. Dann beendete Honig sein Gespräch, klatschte in die Hände und forderte „Und weiter geht’s! Wir wollen hier ja nicht überwintern.“
    Nach zwei weiteren Stunden waren alle eingehenden Kisten ausgepackt und alle ausgehenden korrekt bestückt und zugenagelt.
    „Verdammt“, sagte Honig, „das waren aber nur 98.“
    „Tja“, bestätigte Regitz, „das hab ich auch festgestellt. Zwei Prozent Schwund sind aber normal, oder?“
    Honig nickte. „Scheiß Asiaten. Aber das zieh ich denen gnadenlos ab.“
    Er begann zu rechnen. 100 Kisten zu 60 Cent, macht 60 Euro, abzüglich 1,20 Euro, weil wir nur 98 Kisten bearbeitet hatten. Er holte sechs Zehneuroscheine aus seiner Brieftasche, zögerte einen Moment.
    „Na ja, es ist bald Weihnachten“, sagte er dann mit dünnem Lächeln, „stimmt so.“
    „Oh Gott“, jubilierte Regitz und zog Honig die Scheine routiniert aus der hingehaltenen Hand, „du hast mir gerade den Glauben an das Gute im Menschen wiedergegeben.“
    Ich schielte nach einer diskreten Ecke zum Abkotzen.
     
     
    26
    (Achtung! Der folgende Text enthält moralisch zweifelhaftes product placement!) Wieder in Orgelpfeifenformation, ein jeder um zwei Zehneuroscheine reicher, verließen wir die Lagerhalle von Gebhardt und Lonig, Im- und Export. „Und jetzt gehen wir toll bei LIDL mittagessen!“ hatte Regitz unter dem Beifall Borsigs ausgerufen, ich hingegen nur widerwillig genickt. Der unterwürfige Regitz, angeblicher Papst der Tagelöhner, gefiel mir gar nicht mehr, und der sensible Mann schien es zu ahnen.
    „Pass auf, mein Sohn“, wandte er sich an mich, „du fragst dich jetzt sicher, warum spielt der alte Regitz den Knalldeppen, sobald er einem Ausbeuter begegnet? Nun, höre. Einer wie der Honig hat es einfach nicht verdient, einen Blick auf Regitzens wahres Ich zu werfen! Was ist der schon? Er bumst die Chefin, mehr kann er nicht. Und, fürwahr, auch das könnte ich besser!“
    Borsig kicherte lüstern und Regitz fuhr fort: „Schon bei Karl Marx – Das Kapital Kapitel 16 – findet sich

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