Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
Münstereifel“ jemanden ermorden lassen. Er nahm ihn, das Ding war schwer und spitz. Der Gedanke an Blut erzeugte sofort ein Ekelgefühl. Nein, kein Widerstand. Sollten sie nur kommen, die Staatsbüttel. Oder vielleicht nichts weiter als ein hundsgewöhnlicher Einbrecher? Jetzt tappte er auf dem Flur herum. Oxana. In der Küche. Beim Anrühren des Teigs. Oh mein Gott, er musste irgendetwas tun. Schon hörte er Oxana reden. Und jetzt lachen. Warum lachte sie?
Er ging zur Tür, lauschte. Tatsächlich. Oxana redete mit einem Mann, der zaghafte Antworten gab. Er bewunderte sie, er beneidete sie, sie hatte immer alles im Griff. Jetzt rief sie seinen Namen. „Komm mal rüber, wir haben Besuch!“ Musste das sein? Vorsichtshalber doch den Brieföffner mitnehmen. Wäre dann irgendwie Notwehr oder so was.
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„Guck mal, wer da ist“, sagte Oxana. Und Marxer, den Brieföffner auf dem Rücken verborgen, guckte. Es war Borsig, der grinsende Windhund, sein Käppchen keck auf dem Scheitel. „Sorry, wenn ich euch erschreckt hab, aber ich konnte ja nicht durch die Vordertür rein wegen Geheimdienst und so. Man müsste rechtsradikal sein, dann wär man für die Typen irgendwie unsichtbar.“ Marxer brummte zustimmend.
Der kleine Mann hatte sich ebenso unbemerkt, wie er erschienen war, aus Nancys Atelier geschlichen, wieder einer, der nun für Undercover-Einsätze zur Verfügung stand. „Hab auch gleich was für dich“, sagte Oxana, „du gehst zum Bahnhof, wo Moritz gleich die Vika abholt, die Vika ihrerseits hat sich an die Fersen von diesem Detektiv, diesem Schnüffel geheftet, und du löst sie ab und folgst dem.“ Borsig nickte. Eine Aufgabe nach seinem Geschmack.
In der Küche duftete es nach dem gerade in dem Herd geschobenen Kuchen, „hebt mir aber ein Stück auf!“ verlangte Borsig, „du kriegst drei, wenn du wiederkommst“, versprach ihm Oxana. Marxer überlegte, wohin mit dem Brieföffner.
*
So langsam wurde ich Stammgast am Hauptbahnhof, der alte Mann auf dem Boden vor dem Eingang, ein Plastikschälchen für milde Gaben vor sich, grüßte mich jedenfalls schon wie einen guten Bekannten. Rasch orientieren, aha, noch zehn Minuten, dann würde der TGV aus Paris auf Gleis 5a einfahren. Zeit für einen schnellen Kaffee, nicht bei Claudimausi, lieber nebenan, wo das geschäftige Treiben an der Brottheke längst wieder weiterging, als sei nichts passiert, wo der verblichene Günther Rath zur Erinnerung geworden war, die schnell verblasste. Gnadenlose, hartherzige Welt.
„Na, auch hier?“ quatschte mich eine Stimme von der Seite an. „Wie du siehst, Borsig“, antwortete ich, aus mir unbegreiflichen Gründen gar nicht überrascht, den kleinen Mann hier zu sehen. „Wartest auch auf diese Vika? Soll ja was ganz Scharfes sein.“ Ich überhörte diesen erwarteten Ausbruch männlichen Sexismus gnädig. „Und du?“ „Desgleichen. Ich soll diesen Schnüffel beschatten.“ Aha, wusste ich noch gar nicht. Was mich aber, da ich so vieles nicht wusste, nicht umhaute.
„Ich geh dann mal schon vor, wäre schlecht, wenn man uns zusammen sehen würde“, kündigte Borsig an und war auch schon verschwunden. Ich trank meinen Kaffee aus, schielte rüber zur Cafébar, wo Claudimausi aber zu beschäftigt war, mich zu sehen. War ganz okay so, sie sah mich eh nicht.
Einfahrt des Zuges, Auszug der Reisenden. Es gab zwei Ausgänge, also konnte ich raten, welchen Vika nehmen würde. Ich hatte Glück, sie stieg nur eine Spuckweite von mir entfernt aus, sah mich, nickte kaum merklich. Vor ihr zwei Typen, einer davon wohl Schnüffel, der andere ein schmieriger Kerl, der mich sofort etwas assoziieren ließ, nichts Bestimmtes, eine Ahnung halt. Ich hielt Ausschau nach Borsigs Schalkemützchen, es baumelte lustig in der Menge. Er hatte seinen Mann entdeckt und folgte ihm.
Ich setzte mich vor Vika, wir verließen den Bahnhof, überquerten die Straße Richtung Fußgängerzone, ich schaute mich vorsichtig um, steuerte die kleinen, unbelebten Gässchen an, wartete vor dem Schaufenster eines Hundesalons, in dem ein überlebensgroßes Foto von den Wonnen eines von zarter Frauenhand pedikürten Dalmatiners erzählte. „Hallo“, sagte es neben mir. „Ich glaube, es folgt uns niemand.“ „Nein“, antwortete ich, „wie geht’s dir?“
Typische Frage, wenn einem nichts einfällt. „Ganz gut soweit“, sagte Vika, typische Antwort, wenn einem nichts einfällt. Es hatte kräftig zu schneien begonnen. „Ich geh dann
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