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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Beitrag laut genug und lockte den BIMBES auf die Bühne. Ich leerte die Flasche, sofort stand wieder der Kellner hinter mir und ersetzte sie durch eine neue.
    Der BIMBES war ein kleines, zur Korpulenz neigendes Männlein etwa in meinem Alter, das, angetan mit einer Art Clownskostüm und dicker roter Plastiknase über die Bretter sprang und endlich in der sogenannten „Bütt“ landete. Die Musik, welche diesen Auftakt mit einem ebenfalls sogenannten „Narhallamarsch“ orchestriert hatte, verstummte schlagartig, die Aufmerksamkeit des Publikums war das, was man „gespannt“ nennt. Sogleich begann der BIMBES mit einer Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam, einen Vers zu deklamieren:
    „Ihr lieben Leut, hier steh ich nun / Ich hab gewiss genug zu tun / denn in der Welt da geht es zu / wie bei dem schwulen Winnetou.“ Eine Lachsalve wurde aus Hunderten von Kehlen in den Saal gefeuert und ermunterte den BIMBES zur Fortsetzung.
    „Ich sage nur: der Euro krankt / die Merkel mit dem Sarko zankt / nur weil der Grieche, dieser Spast / ganz fröhlich unser Geld verprasst.“ Erneute Lachsalve, diesmal von bestätigendem Kopfnicken und bereits halbtrunkenen „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"-Kommentaren begleitet. Keine Frage, hier hatte ein Meister des gereimten Wortes das Publikum ergriffen und erklärte ihm die Welt. Irgendwie erinnerte mich der BIMBES an meinen alten Schulfreund Otto Sängerle, ebenso klein und dicklich, mit ähnlicher Quieckstimme, der damals, als wir noch in der Pubertät schwelgten, Mädchen mit Gedichten herumzukriegen gedachte. War ihm, soweit ich weiß, nie gelungen, dazu waren seine Verse nicht sexy genug gewesen.
    Der BIMBES lief nun zu dichterischer Hochform auf und geißelte das Elend der Welt in gnadenlosen Endreimen. „Die Merkel, dieser Senf in Tuben / die treibts mit dem Franzosenbuben./ Der aber hat 1A Geschmack / und schwängert seine Alte, zack!“ Die närrische Zuhörerschar war hingerissen. Die Merkel! Senf in Tuben! Was für ein Bild! Der Sekt strömte nun wie die Elbe bei Hochwasser, die Kellner hatten alle Hände voll zu tun. Die Kapelle setzte zu einem dreifachen Tusch an, der BIMBES griff zu seinem Wasserglas und leerte es auf Ex, bevor er den nächsten Schuss auf die Weltpolitik abfeuerte.
    „Die Politik, die hat nen Spleen./ Da lob ich mir den Sarrazin./ Der sagt halt mal was Sache ist/ wozu er keine Kreide frisst.“ Ich war hingerissen.
     
     
    382
    Er hatte ihnen übel die Gesichter zerstört. Sah dekorativ aus, mit Blei zu Brei, sozusagen, klang beinahe poetisch. Blut und Hirn, aus Schläfe und Stirn, Töten war wie Literatur, nur nicht ganz so brotlos. Ob man die beiden Leichen zerstückeln musste? Besser zu transportieren dann, er war schließlich ganz allein, nicht einmal einen Praktikanten konnte man sich in dem Beruf leisten, eine Schande war das. Besaß er eine Säge oder so etwas? Würde man sich besorgen können. Und viele Gefrierbeutel, große, um die Teile erst einmal in der Tiefkühltruhe zwischenzulagern.
    Warum dachte Marxer an Weihnachten, als er noch einmal die Tötungsszene Korrektur las? Weil er beschert worden war? Mit drei knackigen Seiten voller Blood & Crime, wie sie der Normalleser, dieser wahlweise Gut- und Wutbürger, dieses kreuzharmlose, vergnügungssüchtige Wesen verlangte? Oder weil er sich noch an Heiligabend erinnerte, mit Oxana unter dem Baum auf die Bescherung wartend, die in einem hauchdünnen Engelsgewand der Kasachin bestanden hatte? Keine Ahnung, jedenfalls: Marxer dachte an Weihnachten. Punkt. Dennoch merkwürdig, denn zu Weihnachten passten keine Leichen. Schon gar nicht die schaurig zugerichteten zweier Männer, obwohl es sich dabei um Killer handelte. Mitleid war angesagt, eine christliche Regung – und vielleicht war es das, was Marxer an das Fest der Liebe erinnerte.
     
    *
     
    „Okay“, sagte Regitz und schwenkte seine Knarre von einem zu anderen und dann wieder zu dem einen zurück. „Weihnachten ist zwar schon vorbei, aber ich will noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Ihr könnt abhauen. Lasst euch aber nie wieder hier blicken. Das nächste Mal ist dann wahrscheinlich Ostern und ihr wisst schon, was an Ostern mit so Unschuldslämmern wie euch geschieht, oder?“ Jonny nickte. Er hatte keinen Schimmer, was an Ostern mit Unschuldslämmern passierte, aber Nicken konnte nichts schaden, Nicken war das Gebot der Stunde, sagte doch auch die Bundeskanzlerin.
    Beinahe hätte Bernie „schade“ gesagt. Tat

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