Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
wenigen Augenblicken wäre aus diesem „unbefristet“ ein irreversibles „befristet!“ geworden. Und keine Gewerkschaft legte ihr Veto ein! Okay, Jonny war in keiner Gewerkschaft. Trotzdem. Es war eine Schande, wie die Gesellschaft mit Arbeitnehmern umging.
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Marxer dichtete. Oxana werkelte in der Küche, vielleicht würde es etwas Leckeres zu essen geben, kasachische Nationalgerichte, Pommes mit Weißwurst oder so etwas. Ihm war aufgefallen, dass es das Hauptcharakteristikum der kasachischen Küche zu sein schien, keine Arbeit zu machen. Ging alles ratzfatz, Hauptsache, die Mikrowelle spielte mit. Egal. Marxer dichtete. Eine besonders blutrünstige Szene, die liefen immer fast von alleine, da führte der archaische Urinstinkt aus der Steinzeit die Feder, gewissermaßen. Großes Abrechnen unter den Bösen, eine Kalaschnikow spuckt Kugeln, Blutbahnen werden zerfetzt. Das volle Programm eben.
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„So, liebe Jungs“, sagte der Dicke, „das wärs dann wohl gewesen.“ Ja, dachte Bernie, sieht so aus. Eine Sache konnte er sich aber nicht erklären: Sie waren nicht wirklich verhört worden. Weder scharf befragt noch leicht gefoltert. Wusste der schon alles über sie? Gewiss hatte er in ihrem Auto rumgeschnüffelt, den Schlüssel besaß er ja. Aber dort konnte er nicht viel gefunden haben. Also warum genügte ihm das wenige, was er über sie wusste? Das konnte sich Bernie, wie gesagt, nicht erklären. Komisch, dachte er. Gleich bist du tot und regst dich über so einen Scheiß auf.
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Irmi saß am Wohnzimmertisch und betrachtete den schlafenden Konrad auf der Couch. Hatte sie Mitleid? Natürlich, sie hatte Mitleid mit jeder Kreatur, der es nicht gut ging. Gerade hatte sie auch Mitleid mit sich selbst. Sie langweilte sich. Bestimmt hockten die Freunde jetzt in der „Bauernschenke“, sie nicht dabei, konnte den Kerl hier ja schlecht alleine lassen. Wenn er wenigstens aufwachen und reden würde. Sie tröstete sich damit, dass es dieser Vika und Moritz wohl gerade noch miserabler erging. Prunksitzung, hochdosierter Humor, hohle Lachkanonaden. Sie ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm den Eierlikör heraus. Am liebsten trank sie ihn eiskalt.
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Der Typ wirkte eiskalt. Er schaute von einem zum anderen, von Opfer eins zu Opfer zwei. Gleich. Jetzt. Man wird den Schuss nicht hören, es wird sogar gesagt, dass man ihn nicht spürt, keinen Schmerz empfindet, nur einen dumpfen Schlag und dann nichts mehr, alles schwarz und sehr merkwürdig. Das hier war definitiv die letzte Chance, sämtliche Sünden zu bereuen. Man konnte ja nicht wissen, was einen nach dieser Schwärze erwartete. Gott? War irgendwie zu hoffen. Der verzieh einem ja, wenn man vorher bereut hatte. Also bereute Jonny schnell. Sorry, dachte er.
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Gut, ich will nicht ungerecht sein. Unter den Hüpfmädels, die die Bühne unter sich erzittern ließen, gab es tatsächlich auch welche, die weniger als zwei Zentner gegen die Schwerkraft stemmten. Und auch dass der sogenannte Elferrat lediglich aus sieben betagten, aber gerade erotisch beträchtlich aufgeheizten Männern bestand, war gar nicht so schlimm. Auch Tausendfüßler heißen Tausendfüßler, obwohl sie keine tausend Füße haben.
Nein, ich wartete auf etwas viel Furchtbareres: die erste Büttenrede. Als sie der Sitzungspräsident ankündigte, trank ich schnell noch einen Schluck des sehr billigen, aber zu einem sehr hohen Preis ausgeschenkten Schaumweines. Herr Prinz und Frau Prinzessin weilten übrigens noch nicht unter uns. Sie würden, wie mich die Szenekennerin Vika belehrt hatte, erst später unter großem Hallo Einzug halten.
„So, liebe Närrinnen und Narren, jetzt kommen wir zum ersten Höhepunkt unserer fröhlichen Prunksitzung! Wer kennt ihn nicht, wer liebt ihn nicht, unseren BIMBES? Das ganze Jahr über sitzt er vor dem Fernseher – er ist ja Rentner und hat Zeit – (großes Gelächter) und schreibt sich auf, was so in der Welt passiert. Und an Fassenacht reimt er alles zusammen und trägt es uns zum allgemeinen Gaudium vor. Also: Wolle mir ihn roilasse, unseren guten alten BIMBES?“ Wieso hatte ich gehofft, dem alten Trottel mit der lächerlichen Kappe schalle ein lauthalsiges „NEIN!“ entgegen? Natürlich schrie alles „JA!“, ich ertappte mich sogar dabei, selbst die beiden Buchstaben zum Abschuss im Munde positioniert zu haben, doch die Rampe versagte gottlob ihren Dienst. Jedenfalls: Das „JA!“ war auch ohne meinen
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