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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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nicht.
    Nein, netter Versuch, aber kein Taxistand. Viel zu viele Menschen, manche guckten auch schon so blöd. Weil sie schwitzten und keine Mäntel anhatten, wie passte denn das zusammen. „Ich glaube...“ „Okay“, winkte Marxer ab, „wir sollten weniger glauben, wir sollten endlich von dieser scheiß Straße hier wegkommen.“ Sie sahen sich um. Neben ihnen hielt ein Auto, ein großes und schwarzes Auto. Eine Fensterscheibe kurbelte sich hinunter, ein Gesicht wurde in die Luft gehalten, eine Stimme sagte: „Steigen Sie ein. Die sind schon hinter Ihnen her.“ Ha ha, dachte Marxer, ich bin zwar blöd, aber so blöd nicht. Da war Kriesling-Schönefärb schon halb im Wagen. Blöder Hund, dachte Marxer und stieg ebenfalls ein.
     
     
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    Alfons Reinhard Schmeichel war im ganzen Haus unter dem Namen „Serienkiller“ bekannt. Das kam daher, dass er für die Gestaltung des ZDF-Nachtprogramms zwischen null und vier Uhr zuständig war und es in jahrelanger Klein- und Feinarbeit geschafft hatte, auf diesem einsamen Sendeplatz die hochgelobtesten amerikanischen, englischen und bisweilen sogar französischen Krimiserien zu versenken. Er litt darunter, aber was sollte er tun? Zur Prime Time wollte kein Schwein etwas Anspruchsvolles sehen und bevor er die Serien den Privatsendern zur Ausstrahlung überließ, tötete er sie lieber eigenhändig. Vielleicht fiel ja ein Grimme-Preis dabei ab.
    Das war alles keine befriedigende Beschäftigung, natürlich nicht, aber sie garantierte ein regelmäßiges Einkommen und lag doch, wenigstens thematisch, der eigentlichen Begabung Schmeichels sehr nahe. Alfons Reinhard Schmeichel nämlich war ein Auftragskiller. Er tat dies nicht des Geldes wegen, manchmal tötete er auch gemeinnützig, in einer besonderen Form jener „Bürgerarbeit“, mit der man Arbeitslose für die Gesellschaft zu aktivieren gedenkt, auf dass die Hartz-IV-Empfänger aufhörten, pausenlos zu rauchen, ihre Frauen zu schlagen und ihre Kinder vor dem Fernseher verblöden zu lassen. Gut, Geld nahm er gerne, doch als Fernsehredakteur verfügte er über ein ausreichendes Einkommen, zumal seine Bedürfnisse eher bescheidener Natur waren. Alfons Reinhard Schmeichel war ein idealistischer Killer, ein Menschenfreund gewissermaßen, eine reinigende Instanz, eine Art Hai, der die Schwachen und Bösen ausmerzte, ohne auf den Dank seiner Mitwelt zu spekulieren. Hier ein albanischer Zuhälter, dort ein unbotmäßiger Journalist, ein zwölfjähriger Schulschwänzer, ein Banker, der den Hals nicht voll genug kriegen konnte – um die war es doch nicht schade, oder?
    Nun gut, die christliche Moral, dieses „Du sollst nicht töten“, das Gott einst Moses auf einer Schiefertafel den Berg Sinai hinuntergeworfen hatte. Das machte ihm gelegentlich zu schaffen, aber hey, seit wann hielt sich die Menschheit an irgendwelche zehn Gebote? Der Dienstweg musste stimmen, das war wichtig. Schmeichel war nichts weiter als ein Werkzeug, die Verantwortung trugen andere, höhergestellte Persönlichkeiten. Als er den Anruf empfing an diesem Abend, hatte er sich gerade bettfertig gemacht und dabei gelächelt. Die Illner-Show, die beiden Typen, genau: Das roch geradezu nach einem neuen Auftrag.
    Die Stimme war ihm bekannt, Namen wie immer Schall und Rauch. So sprechen Beamte, das wusste Schmeichel, da gab es keine Unkorrektheiten. „Die beiden aus dem Fernsehen?“ fragte er gleich. „Die beiden aus dem Fernsehen“, echote die Stimme. „Wo find ich die?“ „Das ist ihr Problem.“ Nicht so toll jetzt. Normalerweise gab es Namen und Adressen der Opfer. Die Stimme nannte eine Berliner Adresse, ein Hotel samt Zimmernummer, noch eine Adresse, die des Krimiautors. Logisch, dass man sie überall finden würde, nur nicht dort.
    „Worum geht’s eigentlich?“ fragte Schmeichel. Okay, das war jetzt unprofessionell. Ein Killer führt seinen Auftrag aus, basta, sonst niente. Aber er war halt neugierig. Er verabscheute Morde aus Eigennutz.
    „Verbrechen gegen die Staatstreue“, sagte die Stimme und fügte an: „Lassen Sie es wie einen Unfall aussehen. Vielleicht wenn beide gerade im Auto unterwegs sind. Wir können hier kein Aufsehen gebrauchen.“ War klar. Brauchten die meisten nicht. Der Auftrag wurde allerdings dadurch nicht gerade einfacher. Die Stimme nannte einen Betrag, hübsch fünfstellig, Schmeichel akzeptierte sofort. Verbrechen gegen die Staatstreue, so etwas hätte er auch umsonst erledigt. Vielleicht würden sie ihm irgendwann

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