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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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anarchistisch, finde ich“; urteilte der kleine Borsig. „Von einem Mann des Wortes hätte ich was Strukturiertes erwartet“, moserte dieser Klein, was ihm sofort einen bösen Blick seiner Nebenfrau und Sekretärin einbrachte. „Die hätten ihn doch gar nicht zu Wort kommen lassen, die hätten ihn doch abgewürgt, wenn er nicht mit vollem Karacho...“ „Genau“, pflichtete Hermine bei und teilte das Bier aus. Vom Rentnertisch wurden vereinzelte Kommentare in die Runde geworfen, „ja ja, das ZDF, typisch Rentnerfernsehen, für wie betüddelt halten die uns denn!“
    Lass sie reden, dachte sich der Mann. Es war an der Zeit, diesen Ort hier zu verlassen. Er war sich noch nicht ganz im Klaren, wie es nun weitergehen sollte. Jedenfalls: Die Leute hier waren gefährlich, sie wussten entschieden zu viel. Er hasste das. Gewalt. Bestechlich schienen die nämlich nicht zu sein, würde auch zu viele Komplikationen geben. Oder waren sie erpressbar? Würde er rauskriegen. Er stellte Blickkontakt zur Bedienung her und kramte einen Zwanziger aus dem Geldbeutel.
     
    *
     
    Der Bundeskanzlerin waren die hochgelegten Füße vom Couchtisch gerutscht. Als gelernte Physikerin wusste sie, dass das etwas mit Schwerkraft zu tun hatte. Brachte sie jetzt aber auch nicht viel weiter. Ein Desaster, sie musste handeln. Eigentlich hieß bei ihr handeln nicht handeln, aber hier wäre nicht handeln handeln oder so etwas. Hatte mit Physik jetzt nichts zu tun.
    Zum Handy greifen. Nee, wer war sie denn. Man sollte SIE anrufen! Hatten doch alle diesen Auftritt gesehen, mussten sich halt was einfallen lassen. Die Kanzlerin machte den Fernseher aus, leerte das Bierglas, schüttete sich das letzte Knabberzeug in die Hohlhand. Gegen diese Geschichte war die Eurokrise ein Grimmsches Märchen.
     
     
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    Mit Hermine bäuchlings auf dem Bett zu liegen, hat in der Regel das, was der Wissenschaftler eine sexuelle Konnotation nennt. In Ordnung, meistens liegen wir dabei nicht BEIDE bäuchlings, aus rein technischen Gründen. Nun aber waren es genau diese technischen Gründe, die uns dazu zwangen, denn vor uns auf dem Bett stand ein Laptop und flimmerte träge in die Nacht. Hermines Mittelfinger hatte die Herrschaft an sich gerissen und streichelte das Touchpad.
    Aber wohin wir auch auf unserer wirren Reise durch das digitale Universum gerieten, über die Ereignisse während der Talkshow herrschte tiefstes Schweigen. Gut, es war spät, es war Nacht, normale Menschen schliefen. Aber Blogger doch nicht! Twitterer ebenso wenig und auf Facebook gibt es bekanntlich auch keinen Feierabend. Es war also seltsam, dass man Marxers Ausfall und Kriesling-Schönefärbs beherrschte Erläuterung ignorierte, selbst der abrupte Abbruch der Sendung war nirgendwo ein Thema.
    „Ich glaube sowieso, das Internet ist ein einziges Fake. Da sitzt einer und kontrolliert, was rein darf und was nicht, wahrscheinlich gibt es eine ganze Dienststelle, in der Hunderte oder Tausende von Mitarbeitern als „Blogger“ und so arbeiten, jeder mit vielen Pseudonymen und dann hauen die das Internet voll. Und was sie unterdrücken wollen, das unterdrücken sie und was sie nicht unterdrücken können, das kaufen sie oder sie löschen es einfach. Wäre doch logisch, oder?“
    Dem konnte ich nichts Gescheites erwidern. War wirklich merkwürdig. Als gäbe es einen Filter im Netz oder ein geheimes Übereinkommen. Auch über die Ereignisse auf Island las man nichts mehr, die spürbare Verknappung von Münzgeld schien man nicht wahrzunehmen. Nur Jonas und seine beiden Damen hatten sich lauthals darüber beklagt, dass es immer schwieriger werde, Ein-Euro-Münzen für die Spielautomaten zu kriegen, in den Spielotheken hätten sie den Stoff sogar schon rationiert.
    Wir fuhren den Rechner runter und ich erwartete nun, dass etwas anderes hochgefahren werden würde. Ich sah mich getäuscht. „Mann, bin ich müde“, sagte Hermine und gab mir einen Kuss, bevor sie das Licht löschte und sich auf die Seite drehte. Wir hatten noch in der „Bauernschenke“ versucht, Marxer telefonisch zu erreichen, ohne Erfolg allerdings. Nicht einmal die Mailbox war angesprungen. „Hui“, hatte Oxana kommentiert, „ich wünsch ihm ja schon, dass er mal so richtig in die Scheiße rutscht, aber diese Nummer könnte härter werden. Wahrscheinlich haben sie die Jungs schon abgeräumt.“ Sonja Weber hatte sofort einen tiefen Seufzer hören lassen und auch Annamarie Kainfeld schien die Vorstellung, ihr Held Marxer

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