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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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verschwunden. Es stellte sich heraus, dass dieser Lothar der Bruder von Georgs Chefin war“ – hier sagte sie tatsächlich etwas Wahres – „und sie sich in der Firma kennengelernt haben. Tja und dann –“ Ich bestellte noch zwei Cappuccinos und verfluchte das Rauchverbot. „Und dann?“ Sonja Weber sah unter sich wie eine Sünderin vor der Inquisition. „Dann hat er mir das Geld gegeben.“ Hätte ich gerade ein Stück Kuchen gegessen, ich hätte mich übel verschluckt. „Geld?“
    „Ja. Die 6100. Deswegen sei er eigentlich nur gekommen, sagte Lothar. Um meinem Bruder das Geld zurück zu geben, das er ihm geliehen hat.“
    Das war so unwahrscheinlich, dass es wahr sein musste. Ich verstand überhaupt nichts mehr. „Sie wollen behaupten, Lothar hat Ihnen einfach so 6100 Euro rübergeschoben? Einer Frau, die er nicht kannte?“
    „So war es“, entgegnete sie und machte ein trotziges Gesicht. Es stand ihr prächtig. „Ich habe ihm meinen Personalausweis gezeigt und den Empfang des Geldes quittiert. Hier.“ Sie suchte umständlich in ihrer Handtasche und zog einen gefalteten Zettel heraus, reichte ihn mir. Ich las. „Den Betrag von 6100 stellvertretend für meinen Bruder Georg Weber empfangen. Name, Unterschrift, Datum.“ „Oh leck“, entfuhr es mir, „notariell wasserdicht ist das zwar kaum, aber...“
    „Ein wenig stutzig hat es mich gemacht, als Lothar mich bat, niemandem zu erzählen, dass er hier gewesen sei und mir das Geld gebracht habe. Keine dramatische Sache, sagte er, aber es wäre besser so. Ich habe es ihm versprochen. 6100 Euro! Wissen Sie, was ich noch an Bargeld hatte? 4 Euro 10! Und an Georgs Girokonto komme ich nicht ran.“
    Ich brauchte eine Weile, um diese Neuigkeiten zu verdauen. Das Café Böhringer, eben noch mit betagteren Damen gut gefüllt, begann sich zu leeren, es ging auf Mittag zu und musste eingekauft werden. Mit rosigen Gesichtern, die an Hühnersuppen und Rostige Ritter, Leberknödel und Gulasch dachten, wackelten die alten Frauen zum Ausgang, warfen letzte Blicke auf die Kuchentheke.
    „Das ist merkwürdig“, sagte ich überflüssigerweise, denn wir wussten beide, dass es merkwürdig war. „Ja“, antwortete Sonja Weber erwartungsgemäß, „aber es ist die Wahrheit. Glauben Sie mir?“
    Das fragte ich mich selbst. Und sie fragte ich: „Gab es noch etwas bei dieser Begegnung? Etwas, das Sie mir erzählen sollten?“ Sie tat so, als überlege sie und antwortete mit einem unsicheren Nein. „Er ist nicht lange geblieben. Wir haben uns die Hand gegeben und ich habe ihm versprochen, ihn wegen Georg auf dem Laufenden zu halten. Er wollte sich ebenfalls umhören. Von Ihnen habe ich nichts erzählt.“
    Wir tranken unsere Cappuccinos aus, schwiegen. Ich merkte, dass ich weg von ihr wollte, was vielleicht noch merkwürdiger war als Lothars Besuch bei ihr. „Ich muss jetzt“, hörte ich mich sagen, und sie: „Ja, ich auch.“ Ich kramte meinen Geldbeutel hervor, sie machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich zahle. Wahrscheinlich esse ich noch ein Stück Kuchen.“ Ich gönnte es ihr und verabschiedete mich.
     
     
    54
    Der Mensch, dieses eigentlich so komplexe Lebewesen, ist in manchen Dingen erschreckend einfach gestrickt. Dann lautet sein Wahlspruch „Was du nicht willst das man dir tu, das füg halt flink nem andern zu“. Und da ich partout nicht verfolgt werden wollte, beschloss ich spontan, Sonja Weber zu verfolgen, sobald sie das Café Böhringer verlassen hätte.
    Glaubte ich, das Verfolgen hebe das Verfolgtwerden wie in einer simplen mathematischen Gleichung auf? Mitnichten. Aber die Ausführungen meiner Klientin hatten mich nicht überzeugt, im Gegenteil. Sie waren so unwahrscheinlich, dass sie wahr sein mussten und das bedeutete, sie waren genial gelogen. Das hässliche und fiese Pflänzlein Misstrauen wucherte in meinen Gedanken, ich fragte mich, was ich über Sonja Weber wusste und kam zu dem Ergebnis, ich wisse nur das über sie, was sie mir selbst erzählt hatte. Ein Besuch in ihrem Heimatort, dem unsagbar öden Großmuschelbach, würde notwendig, also setzte ich auch diesen Punkt auf meine Agenda 2010.
    Sonja Weber verließ das Café Böhringer eine gute halbe Stunde nach mir. Ich drückte mich in einen Hauseingang auf der anderen Straßenseite, das sogenannte Zielobjekt glättete mit rascher und routinierter Hand ihr schwarzes Kostüm, schaute weder links noch rechts noch geradeaus und ging, so hoffte ich, auch nicht direkt nachhaus. Sondern

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