Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
seltsamen Männern und herrlichen Frauen aufgebaut“ – der kleine Italiener spitzte bei den herrlichen Frauen alle drei Ohren – „und sich natürlich von der Kanzlerin kaufen lassen. Aber nicht ganz eben. In Wahrheit arbeitet er immer noch gegen sie. Wäre schön, wenn er in Zukunft für uns arbeiten würde.“
„Jedenfalls“, schloss der kleine Deutsche seine Ausführungen, „werden wir morgen einen Betriebsausflug zu besagtem Moritz Klein machen. Die tagen in einer wirklich netten Wirtschaft, das Hinterzimmer hab ich schon mal für uns gebucht. Wirklich nette Mädels, ich versprech es dir, Silvio.“
Mon dieu, seufzte der kleine Franzose. Seine betörend schöne Frau saß mit ihrer betörend schönen Tochter in Paris herum und wartete sehnsüchtig auf ihren betörend kleinen Mann. Und der? Würde sich im Hinterzimmer einer deutschen Provinzkneipe herumtreiben. Zusammen mit Typen wie diesem NRWleidigen. Der hatte inzwischen zu heulen begonnen und rief nach Mutti.
534
Was war los? Irgendjemand redete wirres Zeug in ein Handy, an dessen entgegengesetztem Leitungsende ein äußerst verschlafener Mann fragte, was denn los sei – und der verschlafene Mann war kein Geringerer als ich selbst. Drei Uhr nachts, das ist: drei Uhr morgens, völlige Dunkelheit, allein in meinem trostlosen Bett, die Heizung war mal wieder ausgefallen, mich fröstelte. Was war los? Ich hörte die Wörter, ich hörte die Sätze, ich verstand weder die einen noch die anderen. Nur dass ich bitte schleunigst zu Irmis Wohnung kommen solle, dass verstand ich denn doch. Jugendliche Stimme, also Jonas. Was maßte sich dieser Kerl an, einen Erwachsenen um drei Uhr nachts / morgens aus dem Bett zu holen? Noch eine Frage, die ich mir gar nicht erst stellen wollte, was ich aber erst bemerkte, als ich sie mir schon gestellt hatte. Irgendwie einen schnellen Kaffee kochen, in die Kleider hüpfen und raus in die kalte Nacht.
Bei Irmi brannte Licht, die Haustür war zu, aber nicht abgeschlossen, auf den Treppenstufen Blutstropfen. Mir wurde heiß und kalt, dann hörte ich Irmis Stimme und beruhigte mich ein wenig. Die Gute hockte in der Küche und trank Kaffee. Ebenfalls am Tisch: Jonas und sein Zweierharem sowie seine Mutter, die ebenfalls stark übernächtigte Hermine, ebenfalls einen Kaffee trinkend.
„Endlich!“ begrüßte sie mich und schob mir eine leere Tasse hin. „Mach dich erst mal munter und dann setz dich und dann hör zu und dann sag uns gefälligst, was wir tun können.“ Ich sah zu Irmi hinüber, die in ihre Tasse starrte und nichts sagte, wohl gar nicht gemerkt hatte, dass ich da war. Dann begann Hermine zu erzählen.
„Ach du Scheiße“, kommentierte ich ihren kurzen, aber dramatischen Bericht. „Und keine Ahnung, wer das war? Wo er hin ist?“ Hermine schaute mitfühlend zu Irmi, die endlich begriffen hatte, dass man von ihr sprach und jetzt selbst einen Satz sagte. Er lautete lapidar: „Ja, totale Scheiße, ich kann dir sagen, Borsig.“
Mit Borsig verwechselt zu werden, hätte der Alten im Normalfall einen sofortigen Entzug meiner Freundschaft eingehandelt, in Anbetracht ihrer Situation ließ ich allerdings noch einmal Gnade vor Recht ergehen. „Hm“, machte ich und entschied: „Irmi kann nicht hier bleiben, viel zu gefährlich. – Marxer?“
Der sei schon informiert, ebenso Oxana und ihre Gefährtinnen, unterrichtete mich Hermine. „Die sind auf dem Weg. Ja, gute Idee, Irmi darf jetzt nicht alleine sein.“ Kaum redete man von ihnen, erschienen auch gleich Marxer und Oxana, in ihrem Schlepptau Annamarie Kainfeld, so dass ich mutmaßte, diese habe die Nacht bei Marxer zugebracht und das Autorengelübde, vorerst keinen Sex zu praktizieren, schmählich gebrochen. Ich schielte zu Hermine, meine Augen sagten: Siehst du, die sind nicht so blöd wie wir, denen sind die Leser schnuppe, die vögeln munter weiter.“ Hermines Blick aber sagte: „Okay, is klar Alter, aber ich bin todmüde, vielleicht morgen.“
Auch die Neuankömmlinge kamen in den Genuss der dramatischen Geschichte und bedauerten Irmi wortreich. Mein Vorschlag, sie in Marxers Villa unterzubringen, wurde begrüßt und angenommen. Komisch, dass Marxer trotz des hastigen Aufbruchs seine Frauenklamotten trug. Er schien sich daran gewöhnt zu haben, sogar auf den High Heels konnte er sich bereits erstaunlich souverän bewegen, wenngleich nicht mit jener Selbstverständlichkeit einer Oxana oder Annamarie.
Irmi ließ sich willig und willenlos
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