Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
mir Kaffee nach, rauchte eine Zigarette und wartete auf Petersen. Dachte nach. Wozu der ganze Aufwand? Ich war mir fast sicher, dass Petersen Petersen war, ein aufopferungsvoller Mitarbeiter der Firma Knallefix, eines aufstrebenden Unternehmens mit völlig undeutschem Kundenservice. Die Vergangenheit hatte mich indes gelehrt, vorsichtig zu sein. Außerdem gefiel mir das Spielchen.
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Herr Petersen von der Firma Knallefix ließ sich Zeit. Vielleicht hatte er auf die Schnelle doch keinen freundlichen Passanten gefunden, der ein Foto von ihm machte. Ich traute es meinen Landsleuten durchaus zu. Oder aber – und wahrscheinlicher: Herr Petersen war Herr Schick und endlich auf den Trichter gekommen, in mir, Moritz Klein, vulgo Idiotendetektiv, seinen intellektuellen Meister gefunden zu haben. Jedenfalls stand ich nach zehn Minuten auf und kochte frischen Kaffee.
Dann meldete sich mein Handy. Es war nicht Petersen, es war Gritli Moser. „Schon wach?“ stellte sie eine der überflüssigsten Fragen des Universums. Ich erzählte ihr, womit ich mich gerade beschäftigte, sie machte „Oh!“. „Ich wollte gerade zur Arbeit fahren. Halte ihn hin, in spätestens eine Viertelstunde bin ich da.“ Sie erzählte mir noch kurz, Marxer werde heute Morgen aus der Klinik entlassen, eine leichte Gehirnerschütterung, sonst keine bleibenden Schäden. „Wundert mich nicht. Der hat schon so viele bleibende Schäden, da ist für weitere kein Platz mehr im Gehirn.“
Der frische Kaffee war fertig und Petersen ließ noch immer auf sich warten. Also doch. Der Bursche hatte Leine gezogen, meine Vorsichtsmaßnahmen hatten sich als richtig erwiesen. Von wegen Idiotendetektiv. Ich war ein professioneller Amateur, mindestens, also mehr als zurzeit jeder deutsche Politiker von sich behaupten konnte. Die Kanzlerin natürlich ausgenommen, die ist amateurhaft professionell. Ich setzte mich ins Wohnzimmer, trank genüsslich meinen Kaffee und wartete auf Gritli Moser. Es vergingen kaum fünf Minuten, bis mir die Türglocke die Ankunft der Schweizer Kommissarin ankündigte. Ich ging federnden Schrittes zur Tür.
Wollte schon öffnen – aber fragte dann doch: „Wer ist da?“ „Ich natürlich“, antwortete Petersen. „Entschuldigung, dass es etwas länger gedauert hat. Aber die freundliche Frau Schröder aus dem dritten Stock, die das Foto von mir gemacht hat – also die Frau hat einen Redefluss, der ist kaum zu stoppen. Ich weiß inzwischen alles über sie. Ihr Mann geht fremd, ihre Tochter hat drei uneheliche Kinder und der Hund leidet nach dem Genuss einer bestimmten Marke Hundefutter unter schwerem Durchfall. Soll ich Ihnen jetzt das Bild auf Ihr Handy schicken?“
„Ich bitte darum“, antwortete ich und hielt es nicht für notwendig, mich wieder in die Küche hinter die Kühlschranktür zu begeben. Der Kerl schien wirklich echt zu sein, meine Vorsichtsmaßnahmen waren demzufolge überflüssig gewesen und ich kein professioneller Amateur, sondern – ein Idiotendetektiv. Aber Schwamm drüber. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und wartete.
Peter Petersen von der Firma Knallefix war ein schlaksiger, noch junger Mann mit strohigem Blondhaar und einem Ring im linken Ohrläppchen. Er grinste in das von Frau Schröder auf ihn gerichtete Objektiv und hielt die neueste Ausgabe einer überregionalen Zeitung hoch. Ich konnte die Schlagzeile lesen. „Minister Rösler dreht durch: 'Frau von der Leyen soll sich ins Knie ficken'“. Das klang sehr glaubwürdig. Ich stellte die Kaffeetasse ab und öffnete die Tür. Was sollte jetzt schon noch passieren?
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Jetzt also stand er in natura vor mir: Peter Petersen, der stets freundliche und zuvorkommende Angestellte der Firma Knallefix. Er hielt mir etwas entgegen. Nein, es war nicht das Paket mit meiner Kamera. Es war ein Revolver. „Peng“ machte er und drückte ab. „Sehr witzig“, kommentierte ich. „Aber ich rauche nicht, sie können dieses komische Feuerzeug wieder ausmachen.“
Petersen lachte. „Ein Werbegeschenk der Firma Schnell & Fettig, für die ich früher Pizzas ausgefahren habe. Ganz nett.“ Er steckte die Feuerzeugpistole in seine Umhängetasche und zog das Päckchen heraus. Überreichte es mir. „Ich bräuchte dann halt noch Ihre Unterschrift. Sie sind wirklich ein ganz Vorsichtiger, aber ich vermute mal, als Person der Zeitgeschichte muss man das auch sein.“ Ich verweigerte die Antwort und lud Herrn Petersen zu einer Tasse Kaffee ein. Er hatte sie sich
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