Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)
schlechte: Dort arbeitet kein Peter Petersen.“ Weiblicher Instinkt, kriminalistischer Instinkt? Beides? Jedenfalls hatte die Sache Gritli keine Ruhe gelassen. „Ich check das mal schnell.“ Wir sahen uns an, ratlos. „Und was sollte dann das Ganze? Er hätte mich töten können oder sonst was mit mir anstellen. Stattdessen schenkt er mir eine teure Kamera.“
Gritli machte „hm“. Und sagte nach einer kurzen Pause. „Irgendjemand muss dir ja die Kamera geschenkt haben. Aber wer? Daran erkennt man doch schon, dass irgendetwas faul an der Sache ist.“
Die Kamera lag auf dem Küchentisch. Scheiße, eine Bombe mit Zeitzünder. Oder aus der Entfernung zu aktivieren und bumm. Mir wurde ganz anders. Gritli griff abermals zu ihrem Handy, seelenruhig, wie mir schien. „Torsten? Schick mal die Jungs von der Sprengstofftruppe. Moment, ich geb dir die Adresse.“
Gute Idee. „Wir gehen jetzt ganz zwanglos aus der Wohnung, okay?“ Ich habe Frauen noch nie widersprechen können. Wir gingen ganz zwanglos aus der Wohnung. Die Kamera blieb wo sie war und sie blieb ganz brav. Lag auf dem Tisch und dachte nicht daran zu explodieren. Noch nicht.
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Wir hockten in sicherem Abstand zu meiner Wohnung in Gritlis Dienstwagen und taten, was ich schon den ganzen Morgen zelebrierte: Kaffee trinken. Coffee to go, zum Mitnehmen, der alte Witz, hier noch ein wenig pointiert, da die Bäckerei gleich Café to go angeboten hatte. Wir waren denn aber doch mit zwei Bechern zufrieden gewesen. Derweil schnüffelte ein Sprengstoffhund namens Billy the Kid an meiner nagelneuen Kamera herum und kam irgendwie nicht zu Potte.
„Billy the Kid ist der Beste“, beruhigte mich Gritli. „Was der nicht findet, findet kein anderer.“ „Wie ist denn so der Hundeverbrauch bei euch? Zehn monatlich? Und was macht ihr mit den Überresten?“ Gritli grinste. „Soviel ich weiß, ist bisher noch kein Wauwau im Dienst unangenehm überrascht worden. Er wird deine ganze Wohnung abschnüffeln, weil dieser Petersen ja die Bombe anderswo deponiert haben könnte. Wir hatten ihn ja nicht immer im Blick.“
Dennoch war ich ein wenig beunruhigt und hoffte, Billy the Kid sei ein auf Sprengstoff spezialisierter Nerd und keiner von diesen Allround-Strebern, die von allem ein wenig, aber nichts richtig beherrschen. Es bestand sonst nämlich die Gefahr, dass Billy the Kid jenes Gramm Haschisch unter meiner Matratze erschnüffelte, das eine gute Freundin von mir aus Amsterdam mitgebracht hatte. Ich sah schon die Schlagzeilen vor mir. „Bundesbeauftragter für das Bürgerglück on Dope – DAS versteht die Bundesregierung nicht unter Glück!“ Oder schlimmer noch: „Idiotendetektiv dauerbenebelt“. Als Person des öffentlichen Interesses durfte man die Presse nicht mit solchen Schlagzeilen füttern.
Ihre Schlagzeilen würden sie allerdings bekommen. Obwohl Gritlis Kollegen samt Billy the Kid sehr diskret und ohne Blaulicht plus Martinshorn angerückt waren, hatten einige Schakale von der schreibenden Zunft Wind von der Aktion bekommen. Jetzt lungerten sie vor dem Haus und ergingen sich in windigen Spekulationen. Razzia bei Moritz Klein? Fürchterliche Bluttat? Steuerfahndung, nachdem der Name Moritz Klein auf einer Schweizer CD aufgetaucht war? Immer wilder wurde phantasiert und fotografiert. Ich wünschte mir, Herr Petersen hätte die Kameras der Pressefritzen mit ein bisschen explosivem Inhalt angereichert.
Gegen 10 Uhr war alles vorbei. Billy the Kid, sichtlich erschöpft (seine rote Zunge hing runter bis zum Boden), zog mit seinem Herrchen und den Kollegen von dannen und freute sich schon auf den Extraknochen. „Deine Wohnung ist garantiert sprengstofffrei, das Gramm Hasch hat der Kollege in die Küchenschublade gelegt, du glaubst gar nicht, wie sehr er mit Billy the Kid darum kämpfen musste.“ Ein haschender Hund und dazu noch einer im Polizeidienst? Nicht nur die Menschen verkamen unter dem moralischen Aspekt immer mehr.
Gritli fuhr mich noch zu meinem Büro. „Heute Abend wieder in der 'Bauernschenke'? Ist doch auch ganz nett dort, wenn Marxer mal nicht ein Marmeladenglas an den Hinterkopf kriegt.“ Ja, schon, aber ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Nummer jeden Tag wiederholt werden würde. Ich sagte zu, stieg aus und erklomm die Stufen zu meinem Büro. Annamarie Kainfeld tippte schon fleißig. Als sie mich sah, machte sie nur „aha“. Ich ahate zurück – und holte mir einen Kaffee.
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Ich konnte mich nach all
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