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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Ich hatte keine Ahnung, dass sich Moritz zu dem Zeitpunkt in Großmuschelbach aufhielt! Ausgerechnet in diesem Inzestnest! Ich wusste ja noch nicht einmal, dass wir gerade nach Großmuschelbach fuhren! Wo gibt es denn hier „bessere Kreise“? Wenn in Großmuschelbach Weihnachten gefeiert wird, so mit Ochs und Esel, ist das ein Fall für den Tierschutzverein, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Ich will hier nicht noch deutlicher werden, aber solche Sachen verstehen Sie schon, ne?
    Wir fahren also, die eine Zwillingshälfte und der Herr Rührlein und meine Wenigkeit. Helga erwähnt ganz nebenbei den Hunderter, für jeden von uns, versteht sich. Überrascht mich angenehm. Sind nicht alle Arbeitgeber Arschlöcher. Ihre Schwester wäre mit dem „Food“ schon vorausgefahren, es gäbe Büffet kalt/warm, aber nicht so popelig Selbstbedienung, nee, das wäre unser Job, denen die Teller zu füllen und dann später rumgehen und fragen, obs noch was sein darf. Das mit den Getränken würden die Sisters selber managen, wäre jetzt auch nicht so der Massenauftrieb, höchstens zwanzig Leute, alles gehobenes Niveau geldmäßig, denen ihr Ballermann ist der Gourmettempel, kein Stress, dafür Kultur satt. Zuerst Sektempfang, dann das Event, danach die Avants, anschließend Bescherung und zur Krönung das Christmas-Undercover-Dinner, gegen 1 wären wir fertig.
    Hä? Ich versteh grad kein Wort. „Na, lass dich überraschen“, grinst die Helga hinterm Steuer, „warst schon mal in Großmuschelbach?“ Da erfahr ich erst, wohin die Reise geht und meine Haare sträuben sich, wie man so sagt. Rührlein grinst auch, ja, sagt er, seltsamer Ort wäre das, praktisch die ehemalige DDR reloaded irgendwie, bloß ohne Stacheldraht und Mauer drumrum. „Ich hab auch schicke Arbeitskleidung für dich“, verspricht mir Helga, „so ein scharfes Dirndl, oben rum ganz eng wie ein Korsett, steht dir bestimmt voll.“ Der Rührlein kriegt auch gleich Stielaugen, soll er.
    Es ist schon zappenduster draußen, all der Weihnachtsklimbim am Leuchten und Blinken, wir sind jetzt auf der Landstraße, Autos kommen uns keine mehr entgegen, da vorne muss die Hähnchenmastfarm sein, sogar dort spielen sie Las Vegas am Abend, haben wohl den armen Hähnen kleine Glühbirnen auf den Arsch geklebt und lassen die jetzt rumlaufen, so hektisch kommt einem das vor. Herr Rührlein guckt aus dem Fenster und murmelt „Schön ist das, so viel Licht, das hats in der Planwirtschaft nicht gegeben“, und ich denk mir, nee, hat das bestimmt nicht und deshalb seid ihre alle abgekackt da drüben, weil bei euch die Weihnachtsengel „Jahresendfiguren“ genannt wurden.
    Im Ort selber: alles dunkel. Ehrlich, kein einziges Licht, nur unsere Scheinwerfer. Richtig unheimlich. Ich glaub, die Helga sieht das genauso, sie schaltet nämlich das Radio an, den Bundessoldatensender mit Weihnachtswunschkonzert. Läuft grad „Communication Breakdown“ von Led Zeppelin, wo der geile Typ mit den blonden Locken da mitspielt. Einer von unseren Jungs wünscht sich die Hiphopversion von „Lili Marlen“ und grüßt damit seine Freundin in Wuppertal. Das halten die stärksten Ohren nicht aus und Helga schaltet auch gleich wieder ab.
    Hm, komisch ist das schon. Wir fahren praktisch durch den Ort, immer dichter auf eine Felswand zu und haarscharf vor der bringt Helga endlich den Transporter zum Stehen. „Aussteigen, wir sind da!“ Na, jetzt bin ich mal gespannt.
     
     
    75
    Mensch, genau, die alte Großmuschelbacher Silbermine! „War aber nie sehr ergiebig“, erläutert Herr Rührlein beim Aussteigen, „und wurde bereits 1821 wegen erwiesener Erschöpfung geschlossen. 1976 mit EU-Mitteln zum Minenmuseum ausgebaut, bis sich herausstellte, dass sich die Fördergelder in den Taschen der Geschäftsleitung versilberten. Geben Sie mir bitte Ihre Hand, gnädige Frau, sonst tappen Sie in Kuhscheiße.“
    Links von uns ein schwarzes Loch so groß wie ein Scheunentor. Ist auch irgendwie eins und die Torflügel weit geöffnet. Der zweite Lieferwagen steht halb im Fels, nur eine Funzel brennt über dem Eingang, man hört es heftig rumoren, Geschirr klappert und Wärmecontainer groß wie Überseekoffer werden von der Ladefläche gewuchtet. „Bisschen Obacht geben“, befiehlt Monikas Stimme. Was sind das für Leute? Einheimische? Und was haben die an? Lumpen, würde ich sagen, altmodische Klamotten mit Löchern drin. Die meisten sind noch ziemlich jung, kaum älter als mein Jonas, einige

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