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Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Quantum Allmachtsphantasie, wie es auch ein Sachbearbeiter der Arbeitsagentur brauchen mag, wenn er einem zusammengefalteten Bündel Elend gegenübersitzt, das sein Existenzminimum haben möchte. Ich frage, du antwortest. Du antwortest nicht, ich senke den Daumen. Das ist auch nicht anders wie beim Weltwährungsfonds, der die Iren nach getürkten Bilanzen fragt, oder eben bei mir, der ich Sonja Weber alles fragen kann, was ich will. Sie muss antworten. Vielleicht lügt sie, aber das ist ein Risiko. Slipfarbe, Intimrasur, Lieblingsstellung – ich begnügte mich damit, sie zu fragen, warum sie ihr Nest verlassen hatte und in die Stadt gekommen war, ich war nur ein moderates Schwein.
    Sonja Weber mochte wissen, dass ich ein kleines Machtspielchen mit ihr veranstaltete. Verlierer ahnen die Niederlage sofort, kluge Verlierer quälen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zurück, und Sonja Weber war klug. Sie ließ mich in meiner Beschämung zappeln, schenkte sich seelenruhig neuen Kaffee ein, ihr Blick begleitete den Qualm meiner Zigarette auf seiner Reise fensterwärts, sie legte sich probeweise ein Lächeln aufs Gesicht und wischte es wieder weg, sah mir endlich in die Augen, einen lakonischen Satz lang.
    „Ich habe innerhalb von drei Wochen meine Arbeit, meine Freund und meine Wohnung verloren.“
    Eine Katastrophe in Schlagzeilen. Sonjas Gesicht wurde, als sie dem Satz nachlauschte, für Momente das einer alten Frau, aber sie wischte auch das weg. Stand auf, ging zum Fenster, schloss es. Auch ich erhob mich, ging zum Schrank, nahm Stift und Notizblock aus der linken Schublade, las das Gekritzel auf dem obersten Blatt – „Filtertüten gehen aus, neue besorgen“, riss es ab und steckte es in die Hosentasche. Irgendwie kamen wir uns auf den Rückweg zum Tisch in die Quere, Sonja und ich, wir berührten uns flüchtig, „Entschuldigung“ sagte Sonja, „aber nicht doch“, sagte ich, „in Kambodscha quetschen sich Hunderte von Menschen auch ohne Technobeat zu Tode, dagegen ist das gar nichts.“
    Wie auch immer. Der Moment der Machtausübung war vorbei, es wurde Zeit, Professionalität zu heucheln. Hoffentlich hatte der Kugelschreiber nicht schon seinen Geist aufgegeben, die Filterpapiergeschichte lag, ich erinnerte mich, ein Jahr zurück und war natürlich vergessen worden. Aber er funktionierte nach einigem guten Zureden dann doch. Adresse des Bruders, Adresse des Arbeitgebers, der ein schlechter Arbeitgeber war und sich nicht sonderlich für seine Mitarbeiter zu interessieren schien, eine kurze Beschreibung des Vermissten – Georg Weber hätte auch George Weaver oder Georges Tisserand heißen können, so beliebig austauschbar war das alles – „haben Sie ein Foto Ihres Bruders dabei?“
    Sonja Weber kramte in ihrer Handtasche und brachte eine Fotografie zum Vorschein, Bruder Georg braucht einen neuen Personalausweis und glotzt ins Objektiv, der Fotograf hat gerade „befeuchten Sie bitte Ihre Lippen und denken Sie an was Schönes“ gesagt, Georg Weber befeuchtete seine Lippen und dachte an die Brüste von Heidi Klum. So ungefähr.
     
     
    7
    Nachdem Sonja Weber gegangen war, blieb ich noch eine Weile am Küchentisch hocken und wartete. Ich gab ihr fünf Minuten, das nun fehlende Schild am Haus zu bemerken, zurückzukommen und zu fragen, was das denn zu bedeuten habe. Es klingelte nicht und ich fragte mich, ob das erfreulich oder bedauerlich sei.
    Um ehrlich zu sein, blieb ich noch eine halbe Stunde am Tisch sitzen und rauchte, damit ich nicht nachdenken musste. Dann trank ich den Rest Kaffee, damit ich nicht ständig rauchen musste. Dann ging ich aufs Klo, damit ich den Kaffee wieder loswurde. Dann ging ich zurück in die Küche, setzte mich an den Tisch, rauchte bis der Tabak alle war und begann notgedrungen mit dem Denken.
    Wenn ein Ehemann nicht nach Hause kommt, mag das verständlich sein, bei einem Junggesellen ist es entweder merkwürdig oder der Anfang einer Ehe. Männer, die „mal über Nacht“ wegblieben, waren nichts Besonderes, auch wenn die Nacht eine Woche dauerte. Aber Georg Weber hatte sogar sein Handy ausgeschaltet. Tat er das um ungestört zu sein, dann hätte ich die Frau, die ihn dazu gebracht hatte, gerne kennengelernt. Eine Frau, die ihr Handy freiwillig für einen Mann ausschaltete, konnte es nicht geben oder, falls wider Erwarten doch, hatte sie es so nötig, dass ich sie gar nicht kennenlernen wollte. Komisch, dass Männer sofort chauvinistisch werden, wenn sie zu denken anfangen, dachte

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