Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
Zukunft wussten, musste kein Blatt vor den Mund genommen werden. Trotzdem
rätselten sie, wie sie sich verhalten sollten, wenn Bonnie Prince Charlie in
zwei Jahren an ihre Tür klopfte.
„Kann
man den Sohn unseres schottischen Königs einfach ignorieren?“, fragte Mìcheal,
der entgegen der Highlandermode ebenso wie Ewan keinen Bart trug. „Was soll ich
Onkel Crìsdean sagen? Immerhin ist er der Laird und ich kann ihm schlecht
sagen, dass die Sasannach siegen werden ...“
Gedankenverloren
nickte Dòmhnall.
„Ich
rate Euch, das Geheimnis nicht auszuplaudern“, sagte Robin bedächtig. „Es gibt
genug Eingeweihte, die wissen, dass unter ihnen drei Zeitreisende leben. Mehr
darf es nicht geben.“
Dem
hatte Mìcheal nichts entgegenzusetzen.
Der
Laird neigte sich leicht vor, trank einen Schluck Bier und erwiderte mit
sorgenumwölbter Stirn: „Von Mal zu Mal wird es schwieriger, die Leute bei den
Jakobitentreffen zu besänftigen. Sie wollen mit einem sofortigen Aufstand die
Rotröcke aus dem Land vertreiben – Union hin oder her. Sie wollen sich nicht
länger nach den paradoxen Gesetzen von George II richten, die uns bald
verbieten werden, ohne Erlaubnis zu pinkeln und unsere Frauen zu beglücken.
Ewan muss sich so manches Mal zusammenreißen, um nichts von Prinz Charles’
kommender ‚Heldentat’ zu verraten.“
Mìcheal,
der seinen Onkel Crìsdean nur gelegentlich zu den heimlichen Treffen
begleitete, nickte zustimmend. Auch ihn belastete es, mehr zu wissen als die
anderen. Es war schwer, die ahnungslosen Clanführer zu besänftigen, wenn man
kein Argument anführen durfte.
„Nun,
etwas Zeit bleibt uns noch, aye?“, dröhnte Dòmhnalls kräftige Stimme durch den
Raum, um sich und die anderen zu beruhigen. Nachdem er von den folgeschweren
Ereignissen des Jahres 1746 erfahren hatte, war er nach reiflicher Überlegung
zu dem Entschluss gekommen, dem Prinzen eine Abfuhr zu erteilen. Doch je mehr
Zeit verstrich, umso nachdenklicher war der Laird geworden; und sich als
Wissender unwissend zu geben, ließ ihn sich das Hirn zermartern, wie er die
Situation meistern konnte. In langen Gesprächen mit Robin hatte er alle
Möglichkeiten durchgesprochen, aber es gab nur wenige: Entweder schickte er
seine Krieger wissentlich in den Tod, verbündete sich mit den Engländern oder
verhielt sich neutral. Doch das war leichter gesagt als getan.
In
dumpfes Brüten versunken starrten die Männer in ihre Becher, bis Mìcheal den
Kopf hob und mit einem aufmunternden Lächeln sagte: „Morgen feiern wie deinen
Geburtstag, Dòmhnall. Danach können wir weiter über die Sache sprechen, aye?“
Ärgerlich
winkte der Laird ab und wandte sich an Robin. „Und es gibt in der Zukunft
wirklich keine Nachweise, dass mein Clan in Culloden dabei sein wird?“
„Nicht,
dass ich wüsste, Sir.“ Robin war der einzige Mann auf Glenbharr Castle, der
keinen Breacan feile trug, sondern Kniehosen und Schnallenschuhe.
Schließlich war er ein Lowlander, und dort kleidete man sich nach englischer
Art. „Ich benutzte meine zweite Zeitreise 2006 nicht nur dazu, um Eure Gemahlin
zu holen, sondern auch, um mich intensiv mit der schottischen Geschichte zu
beschäftigen. Auch habe ich mir die Gedenktafeln am Schlachtfeld bei Culloden
angesehen, aber den Namen MacLaughlin konnte ich nirgends entdecken.“
Dòmhnall
verzichtete darauf, sich die Namen anderer Clans aufzuzählen zu lassen, denn
sonst hätte er den anderen Lairds nicht mehr in die Augen sehen können. Ihn
plagte das schlechte Gewissen gegenüber den anderen Clan-Oberhäuptern, die ihre
Krieger ohne Vorwarnung in den Tod schicken würden.
Kapitel
2
Ewan
und sein Vetter Eden waren am Vorabend erst sehr spät auf Glenbharr Castle
eingetroffen. Sie hatten einer englischen Patrouille ausweichen müssen, die
sich gefährlich nahe bei der in einem Felsenkeller versteckten Destille
herumtrieb. Daher hatten die beiden Männer erst am nächsten Morgen Gelegenheit,
die MacGannors zu begrüßen.
Das
Gesinde und die Frauen der Familie waren bereits seit Stunden auf den Beinen,
um die Feier für das Oberhaupt auszurichten. Der große Saal mit dem langen
Holztisch, an dem normalerweise die Familie und enge Bedienstete ihre
Mahlzeiten einnahmen, wurde mit bunten Papiergirlanden geschmückt, und das
Wappen der MacLaughlins über dem Kamin war zu Ehren des Lairds auf Hochglanz gebracht
worden.
Màiri
und Joan ließen es sich nicht nehmen, die schweren Leinen-Tischtücher
eigenhändig zu
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