Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
Familienmitglieder. Auch Robin Lamont hatte sich eingefunden;
seit dem Tod des früheren Verwalters Brian Ferguson hatte er auf Dòmhnalls
Bitte die Kate in den Bergen aufgegeben, um Fergusons Platz einzunehmen.
„Nun,
wie sieht es auf Barwick Castle aus?“, wandte sich der Laird an Mìcheal,
während er ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte. „Und wie geht es
Crìsdean?“
Mìcheal
lächelte schief. „Noch steht Barwick Castle.“ Inzwischen gehörte auch er zu dem
Kreis der Eingeweihten und spielte mit seinen Worten auf die Ereignisse an, die
in weniger als drei Jahren auf die Hochlandschotten zukommen würden. Dieses
Wissen hing wie eine dunkle Wolke über allen, die von Joans Vorhersehung wussten.
„Meinem Onkel geht es wieder etwas besser, Ayleen pflegt sein krankes Bein
hingebungsvoll.“
Mìcheal
und Robin Lamont folgten dem Laird in die Bibliothek, die seit Urzeiten von den
Burgherren auch als Arbeits- und Diskussionsraum benutzt wurde. Eine Magd hatte
bereits Bierkrüge und Zinnbecher für die durstigen Männer bereit gestellt.
Unterdessen
nahmen die weiblichen Familienmitglieder im Salon Platz, denn es gab immer viel
zu erzählen, wenn die MacGannors zu Besuch kamen.
Die
Kinder tobten sich auf dem Burghof aus, sodass Joan und die anderen Frauen in
aller Ruhe plaudern konnten. Sie alle hatten sich äußerlich nur unwesentlich
verändert seit den Geschehnissen im Jahre 1733. Marions einst dunkles Haar war
nun von silbernen Strähnen durchwirkt und um ihre Augen hatten sich winzige
Fältchen gebildet. Sie konnte sich kaum noch vorstellen, in der Zeit zu leben,
aus der sie ursprünglich stammte. Wenn sie an das Jahr 2006 zurück dachte, als
dieser fremde Mann vor ihrer Tür stand, um sie in die Vergangenheit zu bringen,
musste Marion, die von allen nun Mòrag genannt wurde, schmunzeln. Entgegen
ihrer Tochter Joan hatte sie nie erwogen, auf Dauer in einem Jahrhundert zu
leben, in denen Elektrizität, Technik und fließendes Wasser Fremdwörter waren.
Aber dann hatte sie sich in den kurz zuvor verwitweten Laird verliebt – fortan
gab es für sie keinen Grund mehr, dem Jahre 1732 zu entfliehen. Erst da hatte
sie verstanden, dass man für den Mann, den man liebte, sogar in der Steinzeit
leben konnte.
Màiri
hatte sich genau wie ihre Schwägerin ihre schlanke Figur erhalten, und niemand
sah ihr an, dass sie das vierzigste Lebensjahr längst überschritten hatte. Sie
schob das blühende Aussehen auf ihre vier Kinder, die sie von morgens bis
abends auf Trab hielten. Ihr sanftes Äußeres ließ jedoch nicht darüber hinweg
täuschen, dass sie eine energische und strenge Mutter und Hausherrin war.
Das
jüngste Kind des Lairds, die inzwischen vierunddreißigjährige Darla, nun Mutter
von drei Kindern, hatte mit den Jahren eine etwas fraulichere Figur bekommen,
sodass nichts mehr an das flachbrüstige unbedarfte Mädchen erinnerte, das sie
bei Joans und Ewans Hochzeit gewesen war. Peader, Darlas Mann, gefielen die
üppigeren Formen. Weder er noch Darla zählten zu den Eingeweihten, die wussten,
dass Joan, Marion und Robin Zeitreisende waren, und so sollte es auch in
Zukunft bleiben.
Joan
bewirtete die Frauen mit leichtem Apfelwein und frisch gebackenen, mit Honig
gesüßten Haferplätzchen, die als Spezialität in den Highlands galten. Auch die
Frau des zukünftigen Lairds sah jünger aus, als sie tatsächlich war. Ihre
Taille war so schmal wie die eines jungen Mädchens, die lockige Feuermähne
voll, und ihre grünen Augen blitzten noch immer – mal schelmisch, mal
angriffslustig. Kurzum, Joan war die Frau geblieben, in die sich Ewan einst
verliebt hatte. Schweren Herzens hatte das Paar nach der schwierigen Geburt von
Töchterchen May auf weitere Kinder verzichtet, sodass die anderen
Familienmitglieder gerne über die ‚kinderarmen’ Eheleute witzelten.
Für
Mìcheal und Màiri MacGannor war der Besuch auf Glenbharr Castle der erste seit
Weihnachten 1742. Durch das unwirtliche Winterwetter war der Weg zwischen den
beiden Burgen für Fuhrwerke monatelang unpassierbar gewesen; nur Ewan und
Mìcheal besuchten sich im Winter einige Male gegenseitig zu Pferd.
Doch
nun war Frühsommer, die rauen Berge hatten durch die zunehmend warme Sonne ihr
bedrohliches Aussehen verloren.
Es
klopfte zaghaft an die Tür; gleichzeitig steckte Lenya ihren hübschen Kopf
durch den Türspalt. Schüchtern lächelte sie zu den Anwesenden, als wolle sie
sich für ihr Eindringen entschuldigen. Obwohl sie bereits seit zehn
Weitere Kostenlose Bücher