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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Selbstverstümmelung betrieben. Wer jetzt von Bord ging, konnte vielleicht noch die Hälfte seines Einsatzes retten, bevor er alles im Strudel des Untergangs verlor.
    »Verstehen Sie«, erläuterte Jürgen Tümmler, der Firmenchef, bei meinem Antrittsbesuch seine Situation. »Unser Rohstoff ist das Vertrauen. Wenn wir es verlieren, ist uns die Basis entzogen.« Er sah aus wie ein Mann, dem nicht nur der finanzielle, sondern auch der gesundheitliche Zusammenbruch drohte. Der Misserfolg setzte ihm schwer zu. Es ging ihm offensichtlich nicht nur um Geld, sondern auch um den Untergang seiner Idee, auch kleine Leute am wirtschaftlichen Wachstum zu beteiligen.
    Natürlich hatte er versucht, sich gegen fremde Ohren abzudichten. Er hatte seinen Gehirntrust verkleinert. Außer ihm und Eva gab es nur noch vier Mitwisser: den alten Justitiar Geltner, der meine Freundin einarbeitete, Heinrich Wankel, Tümmlers Bevollmächtigten, den Chefbuchhalter Großkopf und Lissy Festner, die Personalchefin.
    »Ehrlich gesagt: Ich bin am Ende«, stellte Tümmler fest. »Wenn es nur um mich ginge, würde ich aufgeben.«
    »Sie können sich keinen Ungetreuen unter Ihren Mitarbeitern vorstellen?«
    »Ich lege noch jetzt für jeden die Hand ins Feuer«, antwortete Tümmler.
    Diesen Satz kannte ich nur zu gut. Er war fast immer der Entlarvung eines Täters vorausgegangen. Verdächtig war für mich also jeder. Um in diesen Kreis einzudringen, gab es eine erstklassige Gelegenheit: das Fortuna-Sommerfest in einer Woche.
    Wegen der schlechten Geschäftslage hatte es Jürgen Tümmler ausfallen lassen wollen. Ich überredete ihn, diese Gepflogenheit beizubehalten und durch ein besonders herzliches Schreiben die Freunde und Familienangehörigen einzuladen.
    Inzwischen retteten Jürgen Tümmler noch einmal sein guter Name und seine blendenden Verbindungen: Eine befreundete Bankgruppe half ihm mit Geld aus, so daß er durch Stützungskäufe seiner eigenen Papiere den völligen Verfall abwenden konnte. Die Entwicklung war zumindest abgebremst, aber nach wie vor ging der Trend nach unten. Mein Auftraggeber setzte darauf, daß ich die Laus, die er seit Monaten vergeblich in seinem Pelz suchte, im Handumdrehen finden könnte.
    Wir waren übereingekommen, daß Eva Vollmacht für alle nötigen Maßnahmen erhielt, so daß ich weiterhin im Hintergrund bleiben konnte.
    Ich fing ganz klein an und überprüfte zunächst alle leitenden Firmenmitglieder auf ihre Vergangenheit hin. Ihr Vorstrafenregister war so weiß wie ein Brautkleid. Auch auf den zweiten Blick glich die Fortuna-Investment durchaus keinem trüben Tümpel. Es half alles nichts, ich mußte schmutziges Wasser aufrühren, um auf den Grund zu kommen.
    Inzwischen dichtete ich über Eva die Büroräume so weit wie möglich ab. Die Firma war in der feinen Maximilianstraße etabliert. Ihre Einrichtung spiegelte die kalte Pracht besserer Tage wider. Eine ganze Nacht brachte ich damit zu, jeden Zentimeter der Geschäftsräume nach versteckten Mikrofonen abzutasten. Kein Minimikrofon, keine Wanze, keine verdächtige Leitung in der Wand!
    Ich sorgte dafür, daß allabendlich die Ernte der Papierkörbe eingesammelt und verbrannt wurde. Ebenso wurden alle gebrauchten Farbbänder der Schreibmaschinen vernichtet. Die Durchschläge des Briefverkehrs verwahrte man künftig nach Dienstschluss in den Tresorräumen, auch noch so belanglose. Von jetzt an war über jede Ablichtung Buch zu führen.
    Alle diese Maßnahmen waren berechtigt und vielleicht auch nötig, aber trotzdem schienen sie mir nur Beschäftigungstheorie zu sein.
    Eine vage Hoffnung bildete noch das Sommerfest, das an einem Freitagabend stattfand. Zunächst glich es der Feier einer übergroßen Familie, in der es keine schwarzen Schafe gab. Aber der Alkohol lockerte die Hände wie die Zungen, legte die retuschierten Stellen frei.
    Der Prokurist Großkopf galt als Pantoffelheld. Auch wenn seine liebestolle Frau sicher besser war als die Gerüchte, die an der Börse wie Unkraut wucherten, lebte er doch in einer eindeutigen Situation.
    Umgekehrt lag der Fall bei Wankel, dem stellvertretenden Chef. Er war ein Schönling, dem seine reiche Frau offensichtlich einen aufwendigen Lebensstil ermöglichte. Ein Dandy: Anzüge aus London, Sportwagen, den er untertourig durch die Stadt quälte, der Typ, der die besseren Jahre durch kleine Mädchen zu drapieren versuchte.
    Er hielt sich zurück und tat gut daran, denn seine neben ihm sitzende Frau, mit Schmuck behängt

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