Die ehrenwerten Diebe
unsinnigen Drohungen überschwemmt. Es war nicht weiter verwunderlich, daß bei zwei Redaktionen das Schreiben des Rentners ohne Aufhebens in den Papierkorb wanderte; dem dritten Lokalredakteur dämmerte der Verdacht, daß es sich bei dem Absender vielleicht nicht um einen Verrückten, sondern um einen Verzweifelten handeln könnte.
Jedenfalls griff er zum Telefon und alarmierte die Funkstreife.
Per Sprechfunk gab die Zentrale den Warnruf an den Wagen Isar Drei weiter.
Mit Blaulicht und Martinshorn schoß er auf das Olympia-Gelände zu, erreichte die Fußgängerzone.
Und in diesem entsetzlichen Moment begriffen die Polizeibeamten, daß sie zu spät gekommen waren: Von der Plattform unter dem Restaurant löste sich ein kleiner dunkler Punkt, wurde immer größer, immer schneller, knallte mit einem schauerlichen Geräusch auf den Zementboden.
Von allen Seiten rannten Menschen auf die Aufschlagstelle zu.
Die Beamten sprangen aus dem Wagen, drängten sie zurück. Immer neue Gaffer drängten nach. Das Sterben ist für die Sensationslust nun einmal ein Fressen.
Ich saß am Frühstückstisch und las den Bericht über den grauenvollen Tod eines Rentners. Nichts deutete darauf hin, daß er die Ouvertüre meines nächsten Falles werden könnte. Ausnahmsweise hatte ich die Beine einmal unter meinem eigenen Tisch; ich wollte auch die Hände untätig in meinem Schoß liegen lassen.
Das Schönwetter hatte gehalten, ich wollte einmal einen ganzen Tag lang meinen Neigungen leben und überlegte, ob ich mein Segelboot auftakeln oder mit einem neuen Testwagen, den mir die Stern-Werke geliehen hatten, über die Autobahn jagen sollte.
Ich entschied mich fürs Segeln, aber es war eine Rechnung ohne den Wirt – oder besser die Wirtin.
Sie hieß Evaund war eine in jeder Hinsicht erstaunliche Frau. Als Studentin hatte sie sich als Babysitter und Gelegenheits-Mannequin durchgeschlagen. Mitunter war sie als meine Assistentin aufgetreten. Jetzt hatte sie mit großer Auszeichnung ihr juristisches Staatsexamen gebaut und war eine engagierte Rechtsanwältin geworden.
Eva war alles andere als ein Blaustrumpf: ein Eisberg, der andere zum Schmelzen brachte. Sie hieß jetzt Eva Steiner-Wilden; das bedeutete, sie war nunmehr verheiratet.
»Bin zufällig in Starnberg«, sagte sie mir am Telefon. »Darf ich dich überfallen?«
»Tür und Tor stehen dir offen«, alberte ich. »Desgleichen Keller, Bar und Kühlschrank.«
Ich ging in den Garten, um Eva entgegenzugehen.
Sie mußte aus der Nähe angerufen haben, denn Minuten später fuhr sie schon mit ihrem kleinen Flitzer vor, stieg aus und kam lachend auf mich zu. Der Wind flirtete mit ihrem Kleid, konturierte ihren schönen, schwingenden Körper. Der Wind hatte hundert Hände, die nach ihr griffen, er ließ Evas Beine nach oben wachsen, machte sie überlang. Gebräunte, melodische Beine, die auf hohen Absätzen sicher durch meinen Vorgarten schritten, mir entgegen.
»Du bist ja noch hübscher geworden«, sagte ich, ohne zu übertreiben.
»Und du galanter«, entgegnete Eva kokett.
»Ich habe meinen freien Tag«, stellte ich fest. »Wenn du willst, verbringen wir ihn zusammen.«
»Vorsicht«, erwiderte sie. »Ich habe einen Anschlag auf dich vor.«
Sie hängte sich bei mir ein, als wir auf das Haus zugingen. Hinter ihrer herben Frische steckte eine faszinierende Frau. »Wie geht's Cora?« fragte sie.
»Noch immer aktuell«, antwortete ich. »Ende nächster Woche fahren wir gemeinsam in Urlaub.«
»So endete ein Hagestolz«, quittierte Eva lachend.
Ich mischte zwei trockene Martinis, reichte ihr ein Glas. Wir prosteten uns zu. Dann griff Eva nach einer der am Tisch liegenden Boulevardzeitung, auf deren Frontseite ein Foto und Schlagzeilen über den Fall Kugelfischer ins Auge sprangen.
»Hast du das gelesen?« fragte sie.
»Ja, ist ja auch kaum zu übersehen.«
»Ich bin in diese traurige Geschichte verwickelt«, erklärte Eva. »Um es ganz offen zu sagen: Ich möchte auch dich in sie verstricken.«
»Dann versuch's«, erwiderte ich trocken.
Wir gingen am See entlang spazieren. Eva berichtete kurz und knapp, in der präzisen Art der Juristin. »Also, es geht bergab mit der Fortuna-Investment«, begann sie. »Es ist kein Zufall. Und auch keine unternehmerische Fehlleistung. Es ist handfeste Industriespionage.«
»Sachte«, erwiderte ich, »Aktien sind immer noch ein heißes Geschäft.«
»Mag sein«, entgegnete Eva, »aber kaum in unserer Firma. Da ist Jürgen Tümmler, der Chef.
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