Die ehrenwerten Diebe
Kanüle am Arm und dachte: aus.
Ich fiel tiefer und tiefer, aber ich landete weich. Mein Bewußtsein war wie mit Watte umwickelt.
Ich erreichte das Bewußtsein wieder, als ich meine eigene Stimme hörte. Ich hatte Kopfschmerzen. Mir war hundeübel. Aber ich ließ die Augen geschlossen.
»Also noch einmal«, sagte der Mann im weißen Kittel. »Sie sind doch gesund, Signor Fabian. Sie haben sich hier eingeschlichen. Das haben Sie doch schon zugegeben. Und warum?«
Ich stellte fest, daß ich allein mit Dr. Zenetti war.
Er kannte meinen richtigen Namen, und ich wußte nicht, wieviel ich ihm unter dem Einfluß der Droge schon verraten hatte.
»Was wollen Sie noch wissen, Dottore?« fragte ich.
»Was steckt hinter der Geschichte?«
Wir sahen gleichzeitig zur Tür. Sie wurde aufgerissen. Unheimlich viele Menschen quollen in den Raum: Tebster-Leute, Polizeibeamte, Sandra, der ich den Besucheransturm zu verdanken hatte.
Sie kam auf mich zu. »Alles in Ordnung?« fragte sie besorgt.
»Nicht weiter schlimm«, tröstete Sam Tebster. »Er hat Ihnen Evipan gegeben. Damit hat man früher einmal Leute narkotisiert. Heute nimmt man es, wenn man sie ausfragen will.«
Die Verbindung Dr. Zenettis zur Chimica Freccia wurde festgestellt; damit war der Fall geklärt, und das Tuttisanti-Krankenhaus hatte seinen Frieden wieder.
Wir fuhren ins Excelsior.
»Hast du noch Kopfschmerzen?« fragte mich Sandra.
»Oh, mir geht's ganz schlecht. Du mußt mich pflegen.«
»Warum nicht?«
»Aber ich bin Privatpatient«, erwiderte ich.
»Und ein hoffnungsloser Fall«, versetzte Sandra. »Aber vielleicht habe ich eine Patentmedizin.«
Sie hatte sie, rief Frankfurt an und bekam Cora an die Strippe.
»Dir geht's nicht gut?« fragte diese erschrocken.
»Wenn ich dich höre, schon wieder bestens«, antwortete ich.
»Dann erhol dich gut, Mike«, erwiderte sie. »Mein Chef hat gerade meinen Urlaub genehmigt. Vier Wochen. Ab übernächster Woche …«
»Herrlich!« rief ich. »Und wohin fahren wir?«
»Wo du hingehst, will auch ich hingehen«, versetzte Cora lachend.
Diese Worte hatte ich schon einmal gehört, und ich wunderte mich, daß sie bei mir kein Unbehagen auslösten.
10
Der Tag trug den Kopf hoch. Über München wölbte sich der endlos blaue Himmel wie eine seidige Kuppel. Die Sonne hatte lange auf sich warten lassen; jetzt drehte sie auf, als wolle sie blasse Großstädter für ihre Säumigkeit auf einmal entschädigen.
Schon um neun Uhr vormittags standen vor der Kasse des Olympiaturms Schaulustige Schlange; schlank und steil stach er in den Himmel, es sah aus, als wollte seine Spitze das Schönwetter festnageln.
Die Besucher warteten geduldig, bis sie zum Lift in die schwindelnde Höhe katapultiert wurden: junge Liebespaare, zeitlose Kaffeetanten, biedere Provinz-Onkels, Touristen neben Einheimischen, alle uniformiert von der guten Laune.
Einer stand mitten im Gedränge und doch abseits. Zerknittertes Gesicht. Glanzlose Augen. Durchhängende Schultern, die schwer an der Last von siebzig Jahren zu tragen schienen. Dieser Mann, Franz Kugelfischer, Rentner, hatte einen grässlichen Entschluß gefaßt: Er war nicht gekommen um zu genießen, sondern um zu sterben.
Er mußte warten, es war ihm gleichgültig, daß der Andrang sein Leben vielleicht noch um eine halbe Stunde verlängern würde. Für ihn war es zu Ende, so oder so. Ein lang gefasster Kurzschluss. Mit drei gleichlautenden Briefen in ungelenker Handschrift hatte er drei Münchener Zeitungen seinen Tod angekündigt, ein Mann, der immer unauffällig gelebt hatte, wollte auf die auffälligste Weise sterben, um dagegen zu protestieren, daß er durch die Fortuna-Investment-Gesellschaft um ein Großteil seiner Ersparnisse gebracht worden war.
Fortuna heißt Glück; die Firma freilich durchlitt in letzter Zeit eine Pechsträhne, obwohl sie selbst zu Zeiten der Aktienflaute erstaunliche Erfolge vorgewiesen hatte. Sie galt als seriös und war nicht erst seit der IOS-Affäre peinlich auf ihren Ruf bedacht gewesen. Sie hatte ihren Hauptsitz auch nicht in Panama, sondern in München, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß aus dem früheren Kassenrenner ein ausgesprochen müdes Papier geworden war.
Franz Kugelfischer war jetzt an der Reihe.
Er bestieg mit einer größeren Gruppe den Lift. Wie sich später herausstellte, so ziemlich zur gleichen Zeit, da in den Münchener Zeitungsredaktionen die düsteren Briefe geöffnet wurden.
Zeitungen werden nicht selten mit
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