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Die Einöder

Die Einöder

Titel: Die Einöder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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an den Tümpelrändern im ehemaligen Flußtal wuchs.
    Stumm verzehrte das Paar sein Mahl, das diesen Namen nicht verdiente und welches das einzige dieses Tages bleiben würde. Zuletzt, als die verkratzte Blechschüssel geleert war, reckte der Einöder ächzend den knochigen, gekrümmten Rücken, fieselte eine Wurzelfaser aus kariesverfärbter Zahnlücke und fixierte sein Weib mit einem langen, lauernden Blick wie eine Fremde. Schweigen lastete zwischen dem Mann und der Frau; endlich fand der Einödbauer Worte und murmelte stockend: „Die Heuschrecken… Bei diesem Wetter kommen sie aus der Erde… Ich werde zum Fluß gehen…“
    Das Weib, das noch verkrümmter und ausgezehrter als der Mann wirkte, verzog die aufgesprungenen, grindigen Lippen und flüsterte: „Der Regenfluß… So viel gutes Wasser hatte er früher… Und die Felsrundlinge darin… Wie die Buckel von fetten Karpfen…“ Schlucksend verstummte die Alte; ihre trüben Augen füllten sich mit Tränen, und ein zäher Speichelfaden lief ihr über das spitze Kinn.
    Der Einöder öffnete den Mund, um etwas zu erwidern – doch plötzlich erstarrte er und duckte sich im nächsten Moment erschrocken zusammen. Denn draußen prasselte es wie Hagelschloßen auf das Dach und gegen das verwitterte Gebälk des Bauernhauses; zudem war ein hohles Jaulen zu hören, das jäh aufbrandete und ebenso jäh wieder erstarb. Nachdem der wüste Lärm sich gelegt hatte, war noch so etwas wie ein wetzendes Rieseln zu vernehmen; ein knackendes Knistern wie von Tausenden chitinharter Insektenbeinchen – dann herrschte wieder Ruhe.
    In die drückende Stille hinein nickte der Mann; wissend und schicksalsergeben. Er und sein Weib kannten die Windwirbel, die sich unvermittelt über den ausgedörrten Sandflächen aufzubauen pflegten; die Windhosen, welche knochentrockenen Granit- und Quarzgrus mit sich rissen und die winzigen Splitter wie Hagelschauer gegen jedes Hindernis schleuderten, um sodann von einer Minute auf die andere wieder in sich zusammenzufallen. Unangenehm und manchmal auch gefährlich waren diese Windwirbel; sie hatten aber zugleich ihr Gutes, denn in ihrem Sog konnten sie sauerstoffgeschwängerte Atemluft zu jenen Orten tragen, wo sie gewütet hatten, und deshalb wurden die Windhosen von den beiden Alten gleichermaßen gefürchtet und geliebt.
    Jetzt, da der Aufruhr in der geschändeten Natur vorüber war, erhob sich der Einödbauer, berührte wie tröstend die Schulter seiner Frau und schlurfte zur Haustür. Als er sie öffnete, drang ein Fladen graugelben Sandes über die Schwelle. Der Mann spuckte auf den Schmutzfleck; danach fuhr er mit dem nackten Fuß darüber hin, und die über den Sand reibende Hornhaut seiner Fußsohle erzeugte ein ungut kratzendes Geräusch. Gleich darauf fegte das Weib des Einöders, das ihm gefolgt war, den Schmutz ins Freie hinaus und schloß die Tür hinter dem Mann.
    Dann huschte die Frau, einem schutzsuchenden Tier ähnlich, ins Halbdunkel der Küchenstube zurück. Sie holte einen Rest Wurzeln aus der Vorratstruhe in der Ecke des Raumes, legte die holzigen Stränge über Kreuz in einen grob zugehauenen Steinmörser und machte sich mit Hilfe eines ungefügen Stampfers daran, das Wurzelwerk unter Zugabe des eigenen Speichels zu einem zähen Brei zu verarbeiten. Und was die Alte tat, war überlebenswichtig, denn falls ihr Gefährte im Flußtal keine Beute zu machen vermochte, konnte das Gemenge, das sie im Mörser zubereitete und das über Nacht leicht fermentieren würde, am nächsten Tag als Nahrung dienen.
    Der Einödbauer war unterdessen der Spur des Windwirbels gefolgt, welcher zuerst das alte Haus gestreift hatte und sodann zum weitgehend ausgetrockneten Flußbett hinabgerast war, um sich dort zu Tode zu stürzen. Granitkörnchen und Quarzsplitter zeichneten den Weg der Windhose nach; leicht geduckt und immer wieder mit geblähten Nasenflügeln witternd schlich der alte Mann entlang dieser Spur dahin: wachsam und mißtrauisch wie ein Wildtier. Als er das einstige Flußufer erreichte, verharrte der Einöder; er verhoffte, so wie früher einmal das Hoch- und Niederwild des Waldgebirges verhofft haben mochte, ehe es sich zur Tränke gewagt hatte.
    Mit zusammengekniffenen Lidern musterte der Alte das Ende der Windwirbelfährte; sodann ging sein Blick zurück zum Bauernhaus und über dessen Dachfirst hinauf zu den schwefelgelb geränderten Wolken, die sich turmhoch am Firmament ballten. Schließlich wandte der Mann den Kopf wieder und

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